Und zufrieden?

Gerade Rechtsanwälte stehen der Mediation eher reserviert gegenüber. Das gilt wohl auch dann, wenn sie selbst in ein Verfahren involviert sind. Als Mediator überlegt man bei der Lektüre von Entscheidungen immer, wie die Angelegenheit mit einer Mediation zu lösen gewesen wäre. Dieser Gedanke kam mir auch beim Lesen der Beschwerdeentscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts 6 UF 2/13 vom 07.03.2013.

Es ging hier um ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung. Das Ehepaar hatte im April 1993 geheiratet und im Dezember kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Der Ehemann ist Rechtsanwalt. Die Ehefrau ist gelernte Pharmareferentin und war während der Ehe in der Kanzlei des Ehemanns tätig, zuletzt als Bürovorsteherin mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 800 €. Das Arbeitsverhältnis hat der Ehemann zum 31.07.2009 gekündigt.

Die Parteien haben sich zunächst innerhalb der Ehewohnung (einem Haus mit über 200 qm Wohnfläche) getrennt. Der Ehemann ist dann im August 2008 in eine angemietete Wohnung umgezogen. Der Sohn war zunächst bei der Ehefrau geblieben, aber im September 2009 zum Ehemann umgezogen.

Am 11.10.2007 hat die Ehefrau den Scheidungsantrag eingereicht. Sie haben dann die Folgesachen Hausratsteilung und Zugewinn anhängig gemacht. Das mit der Hausrtatsteilung haben sie dann aber offenbar doch einvernehmlich regeln können (jedenfalls wurde der Punkt in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2012 für erledigt erklärt).

Am 05.05.2011 hat der Ehemann die Folgesache Wohnungszuweisung anhängig gemacht. Dem ist die Ehefrau entgegengetreten und hat Zuweisung an sich beantragt. Das Familiengericht hat dann durch Beschluss vom 10.07.2012, der durch Beschluss vom 11.09.2012 berichtigt und ergänzt wurde, die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und dem Ehemann die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen und der Ehefrau aufgegeben, die Ehewohnung binnen 6 Wochen zu räumen.  Hiergegen wendet sie sich mit der Beschwerde. 

Nun – wieder ein dreiviertel Jahr später hat das Oberlandesgericht den Beschluss dahingehend abgeändert, dass beide Anträge, sowohl der Antrag des Ehemannes als auch der Antrag der Ehefrau auf Zuweisung der Wohnung, zurückgewiesen werden. Der Senat begründet das im wesentlichen damit, dass keiner der Eheleute in stärkerem Maße auf die Wohnung angewiesen ist und dass auch sonstige Billigkeitsgründe nicht ersichtlich sind. In diesem Fall könne der Senat die Wohnung nicht einem der Ehepartner zuweisen. Sie müssen sich Zivilrechtlich auseinandersetzen. 

Super! Da streiten sie sie seit Jahren und dann das: Kein Ergebnis. Es geht also in die nächste Runde – Teilungsversteigerung.

Die Kosten der diversen Verfahren will ich gar nicht berechnen (Scheidung bei sicherlich nicht allzu niedrigen Einkommen – Hausratsteilungsverfahren – Versorgungsausgleich – Zugewinnausgleichsverfahren war auch anhängig – Unterhaltsverfahren für Unterhalt der Ehefrau – Unterhaltsverfahren für Kindesunterhalt). Auch das ganze Porzellan, das da zerdeppert wurde – kaum zu glauben. Ist eine der Parteien mit dem Ergebnis zufrieden? Ich glaube kaum. Dieses Verfahren zeigt einmal mehr, dass es erwachsenen Menschen unwürdig ist, sich auf so einen Hick-Hack einzulassen. Auch wenn aus der Ehezeit oder der Trennung noch Verletzungen vorhanden sind, es ist immer besser, derartige Konflikte im Wege einer Mediation zu lösen. Viereinhalb Jahre Streit und Auseinandersetzung gehen an den Parteien nicht spurlos vorüber. 

Sicherlich wäre in diesem Konflikt eine Mediation nicht einfach gewesen. Wenn die Parteien aber zurückblicken, werden sie sicherlich merken, dass der juristische Weg nicht wirklich weiterhilft und alle unzufrieden und ein gutes Stück ärmer zurücklässt. Man muss den Beschluss einmal lesen um zu begreifen, dass in (fast) allen Trennungs- und Scheidungssachen eine Einigung mit Hilfe einer Mediatorin (oder eines Mediators) der bessere Weg ist. Leider nimmt der IQ mit steigender Konflikteskalation ab.

Scheidung ohne Verlierer

Familienmediation wird derzeit in der öffentlichen Diskussion über Mediation eher als Stiefkind behandelt. Im Vordergrund stehen die öffentlichen (bzw. öffentlichkeitswirksamen) Mediationsverfahren, oft im Bau-, Umwelt- und Planungsrecht. obwohl gerade diese oft nicht den Anforderungen an eine Mediation (insbesondere Vertraulichkeit) gerecht werden.

Weil Wirtschaftsmediation als lukrativ angesehen wird, ist diese derzeit bei den Mediatorinnen und Mediatoren sehr beliebt. Die meisten Mediatorinnen und Mediatoren bezeichnen sich als Wirtschaftsmediator(inn)en, der Markt für Ausbildungen in diesem Bereich boomt.

Als ich vor mehr als 20 Jahren die Ausbildung zum Mediator begonnen habe, wurde Mediation fast ausschließlich im Bereich Trennung und Scheidung in Anspruch genommen und vermarktet. Heute ist es erstaunlicherweise in diesem Bereich eher stiller geworden.

Familienmediation, das heißt Mediation im Falle von Krisen in der Partnerschaft, von Trennung und Scheidung. Nach wie vor ist der Bedarf gerade in diesen Bereichen für konsensuale Streitbeilegung riesig. Nach wie vor ist dies der Bereich, in dem Mediation am segensreichsten wirken kann.

Bald 30 Jahre alt ist das Buch „Scheidung ohne Verlierer“ von John M. Haynes, Reiner Bastine, Gabriele Link und Axel Mecke, das sehr praxisnah die Trennungs- und Scheidungsmediation in all ihren Facetten beschreibt.

Ich meine, Familienmediation sollte auch medial wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Gerade dort, wo Kinder von einer Trennung und Scheidung betroffen sind, hilft ein Mediationsverfahren den Eltern, Lösungen zu finden, die es ermöglichen, weiter zum Wohle der Kinder zusammenzuarbeiten auch wenn die Ehe gescheitert ist. Gerichtsverfahren verleiten dazu, im Freund-Feind-Denken zu beharren, da das Verfahren per se kontradiktorisch ist. Allein die Tatsache, dass eine Mediatorin (oder ein Mediator) keine Entscheidungsbefugnis hat, verändert die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Es geht nicht mehr darum, eine entscheidungsbefugte Richterin oder Richter von der Richtigkeit der eigenen Argumente zu überzeugen. In der Mediation geht es darum, gegenseitiges Verständnis zu erwecken, wobei die Mediatorin/der Mediator behilflich ist. Das Ergebnis sind Vereinbarungen, die von Verstehen und Einsehen getragen sind und damit das Verhältnis zwischen den Streitbeteiligten verbessert.

Um die Familienmediation wieder in den Fokus zu rücken, bieten wir ab dem 23.04.2018 eine Ausbildung zur Familienmediator / zum Familienmediator an. Die Ausbildung entspricht den Anforderungen des Mediationsgesetzes und der Ausbildungsverordnung für zertifizierte Mediatoren. Wer die Ausbildung mit Erfolg beendet hat, kann sich dann nach Erwerb der entsprechenden Praxis als zertifizierte(r) Mediator(in) bezeichnen.

Erstmals führen wir diesen Lehrgang in der Form des integrierten Lernens durch, das heißt, dass ein Teil der Ausbildung in Form des selbst organisierten e-Learnings erfolgt. Das Unterrichtsmaterial stellen wir über unsere e-Learning Plattform zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage.

Vorsicht! Feind hört mit

Ein Beitrag auf einer Mediatorengruppe bei LinkedIn hat mich auf die Gefahr der Nutzung von Social Media im Zusammenhang mit Familiensachen aufmerksam gemacht.

Ohnehin sollte man ja beachten, dass alles, was ich auf social Media veröffentliche, tatsächlich öffentlich ist. Also sollte ich nur solche Informationen preisgeben, die ich jederzeit in großem Kreis an fremde Personen weitergeben würde. Deshalb verstehe ich manche Leute nicht, wenn sie posten, dass sie jetzt drei Wochen in Urlaub fahren (und sich anschließend wundern, dass die Wohnung leergeräumt ist).

Ähnlich geht es im Zusammenhang mit rechtlichen Auseinandersetzungen im Falle von Trennung und Scheidung. Man ist gut beraten, auch hier zu überlegen, ob man mit der Veröffentlichung auf einer social Media Plattform wie Facebook oder Twitter nicht der Gegenseite die Argumente liefert. Es könnte gut sein (oder ist sogar wahrscheinlich), dass die andere Partei die Veröffentlichungen mitverfolgt.

Folgende Ratschläge werden gegeben:

  1. Nichts posten, was die andere Partei nicht wissen soll.
  2. Die Privatsphäreneinstellungen prüfen und jeden blockieren, den Sie nicht kennen.
  3. In Google überprüfen, welche Informationen im Netz über Sie vorhanden sind.
  4. Freundschaftsanfragen von fremden Personen ignorieren.
  5. Auch Freunde und Familie bitten, keine Informationen über Sie zu veröffentlichen.
  6. Auch die Posts Ihrer Kinder überprüfen, wenn sie in den sozialen Netzwerken unterwegs sind.

Die amerikanische Rechtsanwaltskanzlei Norman Dowler hat dazu einen Blogbeitrag veröffentlicht.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich (nicht)

Mit großem Erstaunen habe ich heute in einem Artikel in der ZKM (Zeitschrift für Konfliktmanagement) von einem Verfahren vor dem Saarländischen Oberlandesgericht gelesen, in dem einer Kindesmutter mit Nachdruck (3.000 € Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft) „nahegelegt“ wurde, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen.

Hintergrund des Verfahrens war, dass die Mutter von 3 Kindern sich von ihrem amerikanischen Ehemann getrennt hatte, mit dem sie in den USA gelebt hatte. Im Rahmen des dortigen Scheidungsverfahrens war ihr auferlegt worden, mit den Kindern int dem Bundesstaat zu bleiben, in dem sie wohnte und ihn nicht verlassen. Sie flog mit den Kindern trotzdem nach Deutschland. Es erging dann in den USA eine Rückführungsentscheidung, die hier dann zwangsweise (mit einfacher körperlicher Gewalt gegen die Kinder) durchgesetzt werden sollte. Im Rahmen dieses Verfahrens führte das Oberlandesgericht dann aus, dass die Kindesmutter verpflichtet sei, an allen die Rückkehr der Kinder in die USA förderlichen Maßnahmen nach besten Kräften mitzuwirken. Hierzu gehörte auch nach der Auffassung der saarländischen OLG-Richter die Teilnahme an einer von dem Kindesvater vorgeschlagenen Mediation.

Sollte die Kindesmutter nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Mediation erklären, kündigte der Senat das Ordnungsgeld an. Wen wundert es, dass die Kindesmutter nun ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Mediation erklärte? Ebenso wenig wundert es, dass die Mediation ohne Erfolg blieb.

Letztlich wurde die Vollstreckung der Rückführungsentscheidung dann aus Gründen des Kindeswohls vom Senat eingestellt.

Da kann man als Mediator(in) nur den Kopf schütteln. Welch ein Verständnis hat eigentlich der Senat von Mediation? Ein Blick ins Mediationsgesetz hätte genügt. Dort ist festgelegt, dass sich der Mediator davon sogar überzeugen muss, dass die Parteien freiwillig an der Mediation teilnehmen. Das legt schon der gesunde Menschenverstand nahe. Wie soll eine Mediation erfolgreich sein, der zumindest eine Partei  ablehnend gegenübersteht?

Wenn überhaupt kann allenfalls die Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation bei einem Mediator auch gegen den Willen der Partei durchgesetzt werden. Dann ist es Aufgabe des Mediators, die Beteiligten von den Vorteilen einer Mediation zu überzeugen. Wenn er sie überzeugt, kann eine freiwillige Mediation stattfinden, andernfalls eben nicht.

Quelle: ZKM vom 15.10.2017 Seite 200

Dann besser gleich heiraten

Die Frankfurter Rundschau hat am 30.09.2014 einen Artikel „Rechtstipps für nichtverheiratete Paare“ veröffentlicht. Diesen Artikel sollten eigentlich alle lesen, die sich in einer Partnerschaft ohne Trauschein befinden. Es zeigt sich, dass unser Eherecht eigentlich nicht schlecht ist. Die im Eherecht festgelegten Folgen treten (zumindest zum größten Teil) automatisch mit der Eheschließung ein. Bei einer nichtehelichen Partnerschaft muss man die eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit durch individuelle vertragliche Vereinbarungen ersetzen. Oder man lässt es, weil man hofft, dass die/der Partner/in nicht merkt, dass man die eine oder andere Folge des Eherechts gerade nicht möchte.

Sowohl bei einer nichtehelichen Partnerschaft als auch bei einer Ehe sollten sich beide Partner der rechtlichen Folgen bewusst sein. Das Eherecht geht von einem angemessenen Interessenausgleich bei Scheitern der Ehe aus. Daraus folgen Rechte (Sorge- und Umgangsrecht für gemeinsame Kinder, Zugewinn- und Versorgungsausgleich, Unterhaltsansprüche) und Pflichten (Teilen des Sorgerechts mit der/dem Partner/in, Umgangsrechte der/des Partners/in, Zugewinn- und Versorgungsausgleich, Unterhaltsverpflichtungen). All dies gibt es zunächst bei nichtehelichem Zusammenleben nicht. Man kann einfach Tschüs sagen und gehen. Die Trennung wird aber sicherlich dadurch nicht einfacher. Wenn es keine vertraglichen Regelungen gibt, wird es schwierig, Vermögensverschiebungen zu korrigieren, die Gelder, die man in das Haus der/des Anderen gesteckt hat, wieder herauszubekommen. Oft bleibt das Ergebnis unbefriedigend.

Letztlich führt bei allen Paaren kein Weg daran vorbei, dass man sich (auch bei aller Verliebtheit und trotz rosaroter Brille) damit auseinandersetzt, dass Partnerschaften heutzutage nun einmal das hohe Risiko des Scheiterns in sich tragen. Egal ob man heiraten oder ohne Trauschein zusammenbleiben will, man sollte sich darüber unterhalten, was im Falle eines Scheiterns der Partnerschaft geregelt werden sollte und wie die Regelungen aussehen sollten. Es ist sicherlich nicht einfach, derertige Themen dann anzusprechen, wenn man noch auf Wolke sieben schwebt. Man wird dann leicht zum Spielverderber.

Deshalb ist der Gedanke nicht schlecht, diese Gespräche und notwendigen Einigungen im Rahmen einer Mediation mit Hilfe eines neutralen Dritten, des Mediators, herbeizuführen. Das nimmt den jeweiligen Gedanken der Beteiligten die Schärfe und man kann zu einem Konsens gelangen, ohne die Gefühle der/des anderne Partners/in zu verletzen. Man kann alle Themen in einer vertraulichen und partnerschaftlichen Atmosphäre ansprechen.

Und eins ist auch klar: Die menschliche/psychische Belastung bei Scheitern einer Partnerschaft, gleich ob mit oder ohne Trauschein, bleibt dieselbe. Also warum nicht gleich heiraten? Denn billiger wird es auch nicht. Entweder kostet die Scheidung (einschließlich der Folgesachen) Geld oder man hat bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Geld für gute Verträge vorher ausgegeben oder zumindest eine(r) zahlt hinterher drauf oder beide wegen der Kosten des anschließenden Rechtsstreits.

Und noch eins zum Schluß: Eine Partnerschaft wird nicht dadurch besser (oder schlechter), dass man nicht geheiratet hat. Umgekehrt gilt dasselbe.

Denkmal einer Ehe

In Trennungs- und Scheidugnsmediationen ist meist Thema das gemeinsame Haus. Das gilt zumindest bei uns im Saarland, das bekanntlich die höchste Eigenheimdichte Deutschlands hat (sogar höher als in Baden-Württemberg). Aufgefallen ist uns dabei, dass viele der Häuser Denkmäler einer scheiternden Ehe sind.

Meist wurde der Bau des eigenen Hauses gerade dann in Angriff genommen, als die Ehe gerade zu kriseln begann. Offenbar glauben dann die Eheleute, mit dieser gemeinsamen Aufgabe die Ehe noch einmal kitten zu können. Ein schlichtweg untauglicher Versuch (oder die Fälle, in denen es funktioniert hat, landen nicht bei der Trennungs- und Scheidungsmediation). Die Belastungen eines Hausbaus führen in aller Regel nicht gerade dazu, dass man sich wieder näher kommt, im Gegenteil, die mit dem Hausbau verbundenen vielfältigen Probleme beschleunigen vielmehr den Zerfallsprozess der Ehe und lassen Differenzen deutlicher zu Tage treten. Das gilt erst recht dann, wenn die mit dem Hausbau verbundenen finanziellen Belastungen das verfügbare Einkommen auf ein Minimum eindampfen.

Wir stehen dann in der Mediation vor der Herausforderung, dass die saarländische Seele die Option eines Verkaufs des Hauses schlichtweg nicht vorsieht. Man staunt dann als Mediatorin oder Mediator, welche Klimmzüge unternommen werden, das Haus zu halten. (Die Kinder hängen doch so an dem Haus!) Hier muss man als Mediator doch gelegentlich einmal den Horizont der Medianden dahingehend erweitern, dass man ein Haus auch verkaufen kann (und Kinder durchaus über genügend Anpassungsgabe verfügen um sich an eine andere Wohnsituation zu gewöhnen).

À propos Kinder: Auch Kinder sind oft das Ergebnis einer kriselnden Ehe. Auch hier meinen die Eheleute, die auseinanderdriftende Ehe durch ein Baby retten zu können (nein, nicht nur die Frauen!). Auch das geht meistens schief! Wer selbst Kinder hat, hat sicherlich die Erfahrung gemacht, dass Kleinkinder die Zweisamkeit zwischen den Eheleuten nicht immer fördern.

Gekrönt werden die Rettungsversuche für Ehen natürlich dann, wenn man auf Nummer sicher gehen will und die beiden Optionen kombiniert, will sagen, ein Haus baut und gleichzeitig ein Kind zeugt. Super! Nach meinen Erfahrungen fast schon eine Garantie, dass die Ehe binnen kürzester Zeit zu Bruch geht.

Also liebe Eheleute: Wenn ihr merkt, dass die Ehe kriselt, kein Haus bauen, kein Kind zeugen! Nehmt das gesparte Geld und leistet euch davon eine(n) gute(n) Paarberater(in)/-therapeut(in). Dann ist das Geld gut investiert und wenn deren (dessen) Tätigkeit erfolgreich beendet ist, dass könnt ihr noch einmal über ein Haus und/oder KInd nachdenken.

Das etwas andere Wechselmodell

Es ist immer schön zu erfahren, welche Kreativität manche Trennungs- und Scheidungsparteien im Rahmen der Lösung der anstehenden Probleme an den Tag legen. Ein Teilnehmer an einer unserer MediatorInnen-Ausbildung berichtete von einem Fall aus seiner Nachbarschaft, die bei der Regelung des Umgangs- und Betreuungsrechts für ihre Kinder eine besonders kreative Lösung gefunden hatten (und das sogar ohne MediatorIn).

Normalerweise wird dem Elternteil, bei dem die Kinder nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben zumindest ein Umgang alle zwei Wochen über das Wochenende gewährt. Getrennte Eltern, die ihren Kindern beide Elternteile gleichmäßig erhalten wollen, vereinbaren oft ein Wechselmodell, dass die Kinder z.B. wochenweise von einem Elternteil zum anderen wechseln. Das geht aber nur, wenn die Wohnungen der Eltern nicht so weit entfernt liegen, dass der Schul- oder Kindergartenbesuch dadurch nicht behindert ist.

Das Paar, von dem der Teilnehmer berichtete, hat die Sache einfach auf den Kopf gestellt. In diesem Fall haben die Eheleute vereinbart, dass die Kinder im (gemeinsamen) Haus wohnen bleiben und die Eltern turnusmäßig wechseln. Und das erstaunliche daran ist, dass dieses außergewöhnliche Wechselmodell nun bereits seit längerem funktioniert und das sogar, obwohl beide Elternteile mittlerweile jeweils einen neuen Partner haben.

Man sieht wieder einmal, dass die von den Betroffenen selbst gewählten Lösungen die haltbarsten sind. Ich gestehe, dass ich als Mediator doch zumindest hinterfragt hätte, ob dieses Modell funktionieren kann, da ich schon Bauchweh gehabt hätte. Aber die Lösung, die die Medianden finden muss nun mal überhaupt nicht die Lösung sein, die ein Mediator im Kopf hat (gestehen wir es uns ein, jede(r) Mediator(in) hat eine Lösung im Kopf, ein(e) gute(e) Mediator(in) achtet aber darauf, dass sei/er die Medianden nicht im Sinne seiner Lösung beeinflusst).

Neidfrei teilen oder die Scheidungsformel

Ziel einer Mediation ist es natürlich, eine Konsenslösung zu erreichen. Das klappt (leider/natürlich) nicht immer. Manchmal sind in der Tat begrenzte Ressourcen zu verteilen und dann ist distributives Verhandeln angesagt – kurz es wird gefeilscht. Das ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss.

Mittlerweile beschäftigen sich die Mathematiker mit der Frage, wie es möglich ist, neidfrei zu teilen.

Die übliche Taktik, einer teilt, der andere wählt aus, lässt sich bei komplexeren Verhandlungen nicht anwenden. Hier hilft die Adjusted-Winner-Methode (manchmal auch Scheidungsformel genannt). S. J. Brams und A. D. Taylor haben diese Methode 1996 entwickelt. Sie ist in den USA auch patentiert.

 Vorgehen:
Jede Partei vergibt (geheim) genau 100 Punkte.

  1. Erstverteilung. Jedes Objekt zu der Partei, die dort eine größerer Wertungszahl vergeben hat.
  2. Verteilung von gleich bewerteten Objekten. Die Partei erhält das aktuelle Objekt, die gerade die niedrigere Summe hat.
  3. So lange von reicherer Partei zu ärmerer Partei umverteilen, bis Ausgleich erreicht ist. Dabei das Objekt auswählen, dass die ähnlichste Bewertung hat. Gegebenenfalls Aufteilung eines Objekts, sodass die Bewertungssummen gleich sind.

Beispiel mit 5 Objekten:

  1. Beide vergeben geheim ihre 100 Punkte für die 5 Objekte.
  2. Der linke Teilnehmer erhält die Objekte 1,2 und 4, der rechte Teilnehmer das Objekt 3
    So hat der linke Teilnehmer 60 Punkte und der rechte Teilnehmer 40 Punkte.
  3. Ordnet man nun das gleich bewertete Objekt 5 dem „ärmeren“ Beteiligten rechts zu, so ergibt sich folgendes Bild:

 

 

 

Auch dieses Ergebnis ist nicht gerecht und neidfrei, da der rechte Teilnehmer nun 75 Punkte verwirklicht hat gegenüber nur 60 Punkten auf der linken Seite.

 

 

 

Demnach muss das gleich bewertete Objekt aufgeteilt werden nach der Formel:

60 + p ∙ 35 = 40 + (1 – p) ∙ 35

p = 15 / 70 ≈ 0,215

Also bekommt der rechte Teilnehmer von dem Objekt 5 einen Anteil von 15 / 70 und der rechte Teilnehmer von 55 / 70, in Punkten ausgedrückt links 7,5 Punkte oder 21,5 % und rechts 27,5 Punkte oder 78,5 %.

Auch Objekte, die nicht gewünscht sind, können im Adjusted-Winner-Verfahren eingebunden werden. Wenn sich Eheleute über die Verteilung der Hausarbeit uneins sind und ein Ehepartner auf keinen Fall putzen will, ergibt sich folgende Lösung:

1. Verteilung der Punkte:

20 1 – Bestimmung Freizeit 35
70 2 – Nicht Sauber machen 25
0 3a – Kochen 40
10 3b – Nicht kochen 0
100 100

Es ergibt sich demnach folgende Aufgabenverteilung:

20 1 – Bestimmung Freizeit 35 X
0,95 70 2 – Nicht Sauber machen 25 0,05
0 3a – Kochen 40 X
X 10 3b – Nicht kochen 0
76,3 100 100 76,3

Also muss der putzunwillige Partner nun doch zumindest 5 % der Putzarbeiten erledigen. Ansonsten ist jeder zufrieden.

Sicherlich lässt sich auch damit nicht jedes Verteilungsproblem lösen und ein Mediator sollte auch immer überprüfen, ob sich der „Kuchen nicht vergrößern“ lässt.

Eine(r) für alle?

Auf Legal Tribune Online (LTO) kommentiert Dr. Christian Deckenbrock hier ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Frage der Anwaltsvergütung bei der Beratung beider Ehepartner im Rahmen von Trennung und Scheidung. Offenbar hält der BGH das nicht für grundsätzlich unzulässig.

Ich habe das auch in früherer Zeit als Rechtsanwalt nicht getan. Ein Anwalt kann – und das ist völlig unabhängig von irgendwelchen berufsrechtlichen Regelungen –  nicht guten Gewissens beide Ehepartner im Rahmen von Trennung und Scheidung beraten. Ich erlebe das ja bereits im Rahmen von Mediationsverfahren in diesem Bereich. Von mir als juristischer Mediator wird oft erwartet, dass ich zu rechtlichen Fragestellungen meine Meinung äußere. Als Mediator kann ich das ohnehin nicht, ohne meine neutrale Stellung zu gefährden – abgesehen von abstrakten allgemeinen Informationen. Im Einzelfall kann ich aber nicht beiden Parteien irgendeinen konkreten Rat erteilen. Hier müssen sich dei Medianden rechtlichen Rat selbst einholen. Ich wähle daher auch bei der Unterhaltsberechnung einen völlig anderen Ansatz, nämlich dass die Medianden den Unterhaltsbedarf unabhängig von der Düsseldorfer Tabelle selbst ermitteln und wir dann sehen, wie es gelingen kann, diesen Bedarf zu decken, Die gesetzlichen Ansprüche müssen sie sich von den Beratungsanwälten ermitteln lassen, wobei sie in aller Regel die Erfahrung machen, dass hier recht unterschiedliche Beträge herauskommen.

Aber wie gesagt, auch als Anwalt hätte ich ein äußerst ungutes Gefühl, wenn ich eine Scheidungsvereinbarung (als Interessenvertreter nur eines Ehegatten) verfassen würde, ohne dass der andere anwaltlich vertreten ist. Entweder begehe ich dann Parteiverrat, indem ich den von mir nicht vertretenen Partner auf irgendwelche für ihn günstige Punkte hinweise, die er sonst ohne eigene anwaltliche Beratung nicht gesehen hätte, oder ich ziehe gemeinsam mit meinem Mandanten den nicht anwaltlich Vertretenen über den Tisch. Das hätte und würde meiner Berufsauffassung auch widersprechen.

Und den Mandanten sei gesagt, dass man sicherlich an der falschen Ecke sparen will, wenn man nur einen Anwalt beauftragt. Die im Rahmen einer Trennung und Scheidung zu klärenden Punkte sind sicherlich zu komplex, als dass man an der Rechtsberatung sparen kann. Deshalb achten auch Mediatoren in derartigen Fällen darauf, dass die Medianden zumindest die Abschlussvereinbarung durch (je) einen Anwalt überprüfen lassen. Mediation beruht auf der Selbstbestimmung der Medianden und diese wiederum setzt Informiertheit voraus.

Wie hätten Sie’s denn gern?

Im Jahre 2010 wurden insgesamt ca. 187.000 Ehen geschieden. Insgesamt waren in diesem Jahr 217.000 Scheidungsverfahren bei den Familiengerichten anhängig. Zusammen mit den vom Scheidungsverfahren abgetrennten Verfahren gab es ungefähr 430.000 andere Familiensachen. Aus der Statistik ist nicht zu entnehmen, wie viele Folgesachen mit den Scheidungsverfahren entschieden wurden. Allein diese Statistiken haben eine hohe Aussagekraft hinsichtlich des Konfliktpotenzials, das mit jeder Ehescheidung verbunden ist. Muss das sein?

Sie haben die Wahl, ob sie sich nach althergebrachter Weise scheiden lassen wollen, indem Sie den Gefühlen den Vortritt vor der Vernunft gewähren. Sie können um alles kämpfen, auch um Dinge, die ihnen eigentlich nicht wirklich wichtig sind, nur um den anderen zu verletzen. Sie können so auch viel Geld nutzlos verbrennen. Hierfür brauchen Sie Rechtsanwälte und Richter.

Paare mit Kindern, die sich für Kampf entscheiden, richten daneben noch mehr Schaden an. Nicht nur, dass Kinder unter einem solchen Scheidungskrieg leiten, sie lernen hierdurch auch am elterlichen Beispiel die falsche Methode der Konfliktlösung.

Sie haben aber auch die Wahl, die mit Trennung und Scheidung verbundenen Probleme und Konflikte eigenverantwortlich im Wege der Mediation zu lösen anstatt sie fremdbestimmt von einem Richter entscheiden zu lassen. Der große Vorteil für Sie ist, dass sie selbst das Verfahren und das Ergebnis in der Hand haben.

Gerade von Scheidung betroffene Kinder profitieren von einem solchen vernünftigen Verfahren. Immerhin sind von den 187.000 Ehescheidungsverfahren ungefähr 145.000 Kinder betroffen. Für diese Kinder ist es ohnehin schwierig, mit der Trennungs- und Scheidungssituationen klar zu kommen. Wenn es den Eltern gelingt, ihre Streitigkeiten nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen, ist es für sie viel leichter, die Scheidung der Eltern auszuhalten. Sie haben dann die Chance, bei ihrer eigenen Hochzeit beider Eltern einladen zu können, ohne sie auf der Feier auseinanderhalten zu müssen.

Nein! Die Art und Weise, wie sie Ihrer Scheidung bearbeiten hängt nicht davon ab, wie es zu der Trennung gekommen ist, sei es, dass sie übereingekommen sind, sich  zu trennen, sei es, dass einer der Ehepartner aus der Ehe ausgebrochen ist. Die Art und Weise, wie sie an die Scheidung herangehen, ist allein Ihre Entscheidung. Vielleicht sollten Sie bereits bei der Eheschließung einen Ehevertrag schließen, in denen sie eine Mediationsklausel aufnehmen.

Haben Sie sich einmal für die Mediation entschieden, ist es die Aufgabe des Mediators, Sie auf dem Pfad der Vernunft zu halten, so wie es Aufgabe des Anwalts ist, die Interessen seiner Mandanten mit Nachdruck zu vertreten.

Das einzige, was Scheidungswilligepaare tun müssen, ist sich für den zivilisierteren Weg zu entscheiden, im eigenen Interesse und im Interesse ihrer Kinder.