Mediatoren als Vorsitzende von Einigungsstellen?

Auf die Idee hat mich bereits vor längerer Zeit der Geschäftsführer eines großen Arbeitgeberverbandes gebracht. Als ich ihm unsere Ausbildung „Mediator/-in im Unternehmen (IHK)“ vorgestellt habe, fragte er mich, ob es nicht eine Aufgabe für Mediatoren sei, den Vorsitz in einer Einigungsstelle gemäß Betriebsverfassungsgesetz zu übernehmen? Ich denke, die Idee ist gut.

Die Einigungsstellen bestehen aus einer gleichen Anzahl Beisitzer, die von der Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite bestellt werden. Den Vorsitz soll eine neutrale Person übernehmen. Auf diesen neutralen Vorsitzenden müssen sich die Parteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) einigen. Sollte dies nicht gelingen, wird der Vorsitzende vom Arbeitsgericht bestellt.

Das Verfahren vor der Einigungsstelle ist im wesentlichen nicht vom Gesetz geregelt. Geregelt ist lediglich, dass Beschlüsse der Einigungsstelle mit Stimmenmehrheit gefasst werden und dass der Vorsitzende sich zunächst der Stimme zu enthalten hat. Erst wenn keine Mehrheit zustande kommt, stimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung mit ab.

Wie der Name schon sagt, soll die Einigungsstelle zunächst auf eine Einigung der Parteien hinwirken. Aus diesem Grund könnte ein Mediator als Vorsitzender mit seinem professionellen Handwerkszeug und seinem strukturierten Vorgehen am ehesten den Boden für eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bereiten. Im Interesse des Betriebsfriedens und der weiteren Zusammenarbeit zwischen den Konfliktbeteiligten wäre eine Konsenslösung die beste Möglichkeit. Genau hierauf zielt eine Mediation ab.

Nicht ganz mit der Rolle des Mediators vereinbar wäre die Mitwirkung des Mediators an einer Entscheidung der Einigungsstelle, sofern eine einvernehmliche Lösung nicht zustande kommt. Da aber zunächst eine Einigung herbeigeführt werden soll und bei Scheitern dieser Bemühungen die Einigungsstelle zunächst ohne Beteiligung des Vorsitzenden=Mediators abstimmt und erst, wenn hier keine Mehrheit zustande kommt, der Vorsitzende (Mediator) dann das Zünglein an der Waage spielt, würde das die Rolle des Vorsitzenden als Mediator nicht so verwässern oder stören, dass eine Mediation so nicht möglich wäre.

Gerade die vier Kernphasen der Mediation: Konfliktdarstellung/Themensammlung, Konflikterhellung, Lösungssuche und Vereinbarung würden die Bearbeitung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber lösungsorientiert fördern. Es gäbe keine Gewinner und Verlierer sondern Menschen, die ihre Konflikte im Konsens wirklich lösen können anstatt sich die Lösung von einem Dritten vorgeben zu lassen. Das wäre eine Emanzipation der Konfliktlösung, die den Beteiligten, Arbeitgebern wie Arbeitnehmer, gut zu Gesicht stehen würden.

Zwar mag das Vorgehen eines Mediators den Beteiligten im Einigungsstellenverfahren ungewöhnlich vorkommen, da das Verfahren vor den Einigungsstellen bisher überwiegend von Juristen der Arbeitsgerichtsbarkeit gestaltet wurde. Aber das Verfahren muss ja nicht wie ein Gerichtsverfahren ablaufen, zumal Gerichtsverfahren nicht gerade berühmt dafür sind, Konflikte zu lösen (sie entscheiden Konflikte). Deshalb ist es zum Beispiel auch nicht üblich, Visualisierungstechniken zu nutzen, Kreativität Raum zu geben und so weiter. Wenn es aber über Mediation gelingt, den Konflikt zu lösen, ist den Beteiligten besser gedient als mit formalem Vorgehen eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen, bei der es immer Gewinner und Verlierer gibt.

Deshalb mein Appell an Betriebsräte und Arbeitgeber: Gebt den Mediatoren die Chance, ihr Können in der Einigungsstelle unter Beweis zu stellen!

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.

Gerichte sind nicht alles

Viele Juristen sind aufgrund ihres Studiums ausschließlich darauf gepolt, dass nur Gerichte Streitigkeiten wirklich lösen können. Deshalb hat juristische Konfliktbearbeitung meistens den gleichen Workflow vom ersten Forderungsschreiben über außergerichtliche Verhandlungen zum Gericht. Damit heizen die Juristen die Konflikteskalation an. Begünstigt wird dies noch durch die Overconfidence-Bias, dem psychologischen Effekt, dass man seine eigene Position immer für stärker hält, als sie eigentlich ist. Fragen Sie einmal die beiden mandatierten Anwälte nach einer prozentualen Bewertung ihrer Erfolgsaussichten. Wenn die Summe der Prozentangaben unter 130 % liegt, waren das sehr vorsichtige Anwälte.

Oft wird nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet, dass Konfliktlösung auch anders gehen könnte. Dabei gibt es unter dem Begriff ADR (Altenative Dispute Resolution) verschiedene andere Konfliktbeilegungsmethoden, die jedoch weitgehend ein stiefmütterliches Dasein fristen.

Als Mediator nenne ich natürlich als erstes Mediation. Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben (§ 1 Abs. 1 MediationsG). Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt(1 Abs. 2 MediationsG). Im Gegensatz zum Schlichter macht der Mediator keinen Lösungsvorschlag. Es ist allein Sache der Medianden, mit Hilfe des Mediators eine Lösung ihres Konflikts zu finden. Der Vorteil ist, dass die Medianden mit dem selbst kreierten Ergebnis viel zufriedener sind, als in allen anderen Verfahren und daher auch die Vereinbarung eher eingehalten wird. Alleinstellungsmerkmal der Mediation ist, dass wegen der fehlenden Entscheidungsbefugnis des Mediators sich die Kommunikation verändert. Da der Mediator in keiner Weise entscheidet oder einen Lösungsvorschlag unterbereitet, ist es für die Medianden sinnlos, den Mediator von ihrer Position überzeugen zu wollen. Die Medianden sind daher gezwungen, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.

Bekannt ist der Öffentlichkeit die zweite Methode, die Schlichtung, vor allem aus den Tarifverhandlungen. Wie bereits erwähnt, ist Kennzeichen der Schlichtung, dass der Schlichter am Ende der Verhandlungen der Parteien einen Schlichterspruch verkündet. Dieser ist für die Parteien nicht bindend. Die Parteien können frei entscheiden, ob sie den Konflikt entsprechend dem Vorschlag des Schlichters erledigen wollen. Der Einfluss der Parteien auf das Ergebnis ist weit geringer, als in der Mediation. Zwar bleiben die Parteien in der Annahme oder Nichtannahme des Schlichtungsergebnisses frei, auf den Inhalt haben sie aber nur begrenzten Einfluss.

Das Schiedsgerichtsverfahren hat alle Vor- und Nachteile eines Gerichtsverfahrens, will heißen, dass die Parteien nur geringen Einfluss auf das Ergebnis haben. Sie haben auch keine Entscheidungsfreiheit mehr, ob sie das Urteil des Schiedsgerichts akzeptieren wollen (ausgenommen von Rechtsmitteln). Vorteil für die Parteien ist, wie bei allen ADR-Verfahren, dass das Verfahren in aller Regel schneller zu einem Ergebnis kommt, als ein Gerichtsverfahren und dass das Ergebnis nicht öffentlich sein muss, was manchmal im Interesse eines oder beider Beteiligten liegt.

Vor allem im Baubereich wird immer mehr vom Adjukationsverfahren Gebrauch gemacht. Hier entscheidet ein Sachverständiger Dritter vorläufig. Diese Entscheidung kann zwar vor Gericht noch angefochten werden, eine Streitigkeit ist aber schnell vorläufig beigelegt, so dass im Baubereich keine längeren Baustillstände entstehen.

In den USA gibt es noch weitere ADR-Verfahren, die dem dortigen Gerichtsverfahren geschuldet sind, wie etwa Early Neutral Evaluation. Aufgrund eines anderen Rechtssystems spielen diese Arten der Konfliktbeilegung bei uns keine Rolle.

Trotz der Vorschrift des § 253 Abs. 3 ZPO (Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; …) werden die Angaben zu einer Mediation oder einem anderen ADR-Verfahren meist untzerlassen, ganz einfach, weil sich weder der Anwalt noch die Partei darüber Gedanken gemacht haben geschweige denn, so etwas in Betracht gezogen haben. Angesichts der Vorteile der ADR-Verfahren sollten die Beteiligten darüber mehr nachdenken. Gerichte sind nicht alles!

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.

Obligatorische Mediation in Frankreich?

Derzeit tobt in Frankreich die Diskussion über die Justizreform. Die Justizministerin Nicole Belloubet hatte am 20. 04.2018 ihre Pläne für eine Reform der Justiz vorgelegt. Dieser Reformplan sieht unter anderem vor, dass bei Zivilsachen bis zu einem Streitwert von 10.000 € verpflichtend eine Mediation durchzuführen ist, ehe das Gericht entscheiden kann.

Die Kritik hieran ist vielfältig in Frankreich. Zum einen wird befürchtet, dass durch diese Maßnahme der Zugang zur Justiz erschwert oder verhindert wird, da manche Parteien nicht in der Lage sind, die Kosten eines Mediationsverfahrens zusätzlich aufzubringen. Zudem gibt es in Frankreich keine Ausbildungsvorschriften für Mediatoren (ausgenommen im Familienrecht). Kritisiert wird auch, dass die Mediatoren nicht zwingend Juristen sind (was natürlich den Futterneid der juristischen Branchen anregt).

Mediation ist in Frankreich bereits seit 1995 insoweit geregelt, als es die gerichtlich angeordnete Mediation betrifft. Allerdings wurde davon kaum Gebrauch gemacht. Wie bei uns, wurde Mediation im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 21. Mai 2008 über gewisse Aspekte der Mediation im Zivil- und Wirtschaftsrecht etwas genauer geregelt. Damals wurde dann auch die Mediation wie folgt definiert: „unter Mediation […] versteht man jedes strukturierte Verfahren, wie auch immer es benannt wird, in dem zwei oder mehrere Parteien versuchen, eine Vereinbarung zur gütlichen Lösung ihres Konflikts zu schließen, und zwar mit Hilfe eines Dritten, dem Mediator, der von ihnen ausgewählt oder mit ihrem Einverständnis vom verantwortlichen Richter bestimmt wurde“.

Der Mediator muss nur allgemeinen Ehren- und Unabhängigkeitskriterien genügen sowie „über die erforderliche Qualifikation in Bezug auf die Natur des Rechtsstreits verfügen“ und „eine angemessene Ausbildung oder eine entsprechende Erfahrung als Mediator nachweisen können“, ohne dass diese Bedingungen näher präzisiert sind.

Immerhin haben die Mediatorenverbände sich seit 2009 einen nationalen Verhaltenskodex gegeben.

Allerdings mach sich die Kritik an der Justizreform nicht nur an der obligatorischen Mediation fest. Es geht auch um die Zusammenlegung der tribunale d’instance und der tribunales de grand instance sowie die Digitalisierung der Justiz, die auch auf Widerstände stoßen.

Da fehlt sogar dem Mediator jegliche Empathie

Es gibt Verhaltensweisen, die selbst einem Mediator die Zornestöte oder die Tränen in die Augen treibt. In den vergangneen Wochen war es schon hart, bei manchem Posting zur Flüchtlingsfrage auf Facebook und anderen sozialen Median noch halbwegs Verständnis für die Schreiberlinge aufzubringen. Man kann es zumindest teilweise auf fehlende Bildung schieben (siehe die Beispiele hier und hier). Es gibt aber Postings, da gibt es keinen Bewertungsspielraum mehr, die sind schlicht in ihrer Empathielosigkeit und Unmenschlichkeit einzigartig. Gestern ging das Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes durch die Medien. Man kann sicherlich trefflich darüber diskutieren, ob man dieses Bild veröffentlich soll/darf oder nicht. Man kann auch über den Umgang mit Flüchtlingen und der Flüchtlingsfrage generell unterschiedlicher Meinung sein. Aber ein Kommentar unter dem Bild des ertrunkenen Jungen, der unter dem (ich hoffe doch) Pseudonym Ignatz Bubis veröffentlicht wurde, ist nicht mehr diskussionswürdig. Ich werde ihn hier nicht veröffentlichen. Wer in sehen will, mag hier nachschauen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Mensch, der noch einen winzigen Rest von Menschlichkeit in sich trägt, so etwas schreiben kann. Der Acount des Verfassers und auch der Post wurden mittlerweile auf Facebook gelöscht, Screenshots sind noch unterwegs (siehe der obige Link). Strafanzeigen sind auch erstattet worden. Nur ist es strafrechtlich nicht so relevant, wie es der Unmenschlichkeit diesees Beitrags entspricht. So jemand gehört in Therapie! Da fehlt mir als Mediator nun wirklich jegliche Empathie für den Verfasser!

So, das musste raus!

Nun auch mal was positives

Unter dem Titel „Es ist eigentlich noch schlimmer!“ hatte ich mich darüber beschwert, dass Gerichte und auch Justizministerien immer noch mit gerichtsinterner oder gerichtsnaher Mediation werben. Hierbei hatte ich auhc das Landessozialgericht Saarland erwähnt, das auf der Homepage unter dem Stichwort Mediation auch noch der Flyer zur gerichtsnahen Mediation im Saarland zum Download angeboten wird. Per Mail hatte ich mich an das Landessozialgericht gewandt und um Löschung gebeten. Heute Morgen nun hat ein Richter am Landessozialgericht sich per Mail bei mir gemeldet und mitgeteilt, dass leider vergessen wurde, die entsprechende Unterseite zu löschen und dass dies jetzt geschehen sei. Einige Minuten später kam noch eine Mail mit dem Postscriptum: „Da die Änderungen automatisch auf die Seiten eingestellt werden und das System (etwas) langsam arbeitet, kann es sein, dass die Aktualisierung erst im Laufe des Tages angezeigt wird.“

Also zumindest im kleinsten Flächenland Saarland scheint die Gesetzeslage nun bei allen Gerichten angekommen zu sein.

Und wenn das Landessozialgericht auf seiner Homepage jetzt auch das Bild des Gerichtsgebäudes dem heutigen Aussehen anpasst (es wurde nämlich kürzlich umgebaut), dann ist die Homepage wirklich aktuell.

 

Whistleblower in der saarländischen Justiz

Die Saarbrücker Zeitung berichtet hier über einen Ex-Staatsanwalt und Ex-Richter auf Probe, der die Justiz aus Gewissensgründen verlassen hat.

Sei Urteil als Insider über die saarländische Justiz ist – gelinde gesagt – vernichtend. Auf 15 Seiten hat der junge Jurist der damaligen Justizministerin dargelegt, was alles in der Justiz falsch läuft. Allen, die mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Berührung kommen, können das eigentlich nur bestätigen.

Ich muss zugeben, dass ich bisher von einer „pönalen Quote“ noch nie etwas gehört habe. Demnach sollen 20% aller Ermittlungsverfahren mit einer Anklage oder einem Strafbefehl abgeschlossen werden. Ob es so etwas bei der Staatsanwaltschaft tatsächlich gibt, kann ich nicht beurteilen. Es wäre aber Unsinn, weil letztlich nicht eine Quote sondern der Inhalt der Ermittlungsakte darüber entscheiden sollte, ob eine Anklage erfolgt.

Nachvollziehbar ist sicherlich die Situation bei der Zivilgerichtsbarkeit, wobei allerdings die Quote von 60 bis 70 Prozent Vergleichen zumindest statistisch nicht erreicht wird. Nach der Statistik für 2012 enden immer noch ca. 51 % der Verfahren vor den Landgerichten in erstinstanzlichen Zivilsachen durch Urteil oder Beschluss (24 % durch Vergleich und 25 % durch Klagerücknahme oder sonstige Erledigung).

Dass Richter manchmal durch ungenügende Vorbereitung in der Verhandlung glänzen, kennt jeder Zivilrechtler, auch dass Verfahren aufgebläht werden, weil sie nicht wirklich vom Gericht durchdacht werden (lieber schnell noch einen Beweis erheben als ein Urteil schreiben, so ist die Akte schneller vom Tisch).

Um so unverständlicher ist für mich, dass die Gerichte die Möglichkeit, einen Rechtsstreit einer Mediation zuzuführen, in nicht nennenswerten Umfang in Anspruch nehmen. Statt dessen werden die Parteien oft zu Vergleichen genötigt, die sie so eigentlich nicht wollen und letztlich nichts zur Befriedung beitragen. Noch unverständlicher ist für mich, dass die Justiz dann noch angesichts der Personalknappheit Güterichter ausbilden lässt, die dann eine so genannte Mediation durchführen sollen, eine Aufgabe, die der Justiz eigentlich fremd ist. Hier sollte ein Umdenken stattfinden, um die Arbeitsbelastung der Gerichte herunterzufahren. Der Workflow sollte sich dahingehend ändern, dass der fast zwanghafte Weg von der außergerichtlichen Mahnung von Anwälten direkt zum Gericht dahingehend abgeändert wird, dass zumindest der Versuch einer Mediation dazwischen geschaltet wird, so dass nicht mehr so viele Fälle beim Gericht landen.

Hier ist aber nicht (nur) ein Umdenken bei der Justiz gefragt, sondern auch bei den anderen Organen der Rechtspflege, den Rechtsanwälten. Diese müssen sich endlich einmal wirklich als Interessenvertreter verstehen und nicht wie bisher als Anspruchsvertreter wie bisher (auch wenn sie sich selbst anders bezeichnen, weil sie sich noch keine Gedanken über den Unterschied zwischen Anspruch und Interesse gemacht haben).

Freie Mediatorenwahl

Die meisten Rechtsschutzversicherungen bieten derzeit bereits die Kostendeckung für Mediationsverfahren an, allerdings zum großen Teil mit Einschränkungen. Eine Übersicht finden Sie hier. Nunmehr hat sich das Landgericht Frankfurt am Main der Frage annehmen müssen, ob es zulässig ist, dass die Rechtsschutzversicherungen den Versicherten den Mediator vorschreiben. Geklagt hatte die Rechtsanwaltskammer Berlin.

In dem Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen 02-06 O 271/13, (das nach nicht in der Rechtsprechungsdatenbank Hessen enthalten ist, der Mediatorenkollege Klaus-Peter Kill hat es mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt) hat das Landgericht klagestellt, dass die Auswahl des Mediators den Regelungen des Mediationsgesetzes widerspricht. Ein von der Versicherung ausgesuchter und beauftragter Mediator sei auch möglichwerweise nicht unparteiisch, da die Versicherung das Interesse habe, den Rechtsschutzfall möglichst preiswert zu erledigen.

Die DEURAG, die beklagte Rechtsschutzversicherung hatte zwar ausgeführt, dass sie die Auswahl des Mediators einem Dienstleistungsunternehmen überlasse und dieses den Mediator nach sachlichen Gesichtspunkten aussuche. Damit hat sich das Gericht aber nicht näher befasst, da dies nicht in den Versicherungsbedingungen seinen Niederschlag gefunden habe.

Nicht beschäftigt haben sich die Richter mit der Frage, ob es generell zulässig ist, in den Versicherungsbedingungen vorzuschreiben. 

Nicht gefolgt sind die Richter der Auffassung der RAK Berlin, dass die Rechtsschutzversicherung nicht berechtigt sei, dortige Verträge unter der Bezeichnung „Rechtsschutzversicherung“ anzubieten. Mediation Fälle – auch wenn sie nicht gesetzeskonform sei – unter den Begriff Rechtsschutzversicherung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Man darf gespannt sein, ob die DEURAG dagegen vorgeht.

Das Urteil dürfte auch für andere Rechtsschutzversicherungen von Belang sein, da einige Rechtsschutzversicherungen sich vorbehalten, einen Mediator zu benennen. Die meisten Versicherer bieten aber lediglich an, einen Mediator zu vermitteln, sofern sie Mediationskosten absichern.

Alle, in deren Rechtsschutzversicherungsverträgen Mediation abgesichert ist, können sich daher eine MediatorInnen bzw. Einen Mediator selbst auswählen und sind nicht auf die unsägliche Telefon-Shuttle-Vermittlung (Mediation kann man das kaum nennen) angewiesen, die viele Rechtsschutzversicherer empfehlen, weil das unschlagbar billig ist. Dies mag in einfach gelagerten Fällen wirken, nicht aber bei komplexeren Konflikten.

Da ist doch noch was drin!

Der Roland Rechtsreport ist immer eine Quelle von Erkenntnissen. Nun ist der Report 2014 herausgekommen und kann hier heruntergeladen werden. In Teil A wird die Einstellung der Bevölkerung zum deutschen Rechtssystem, zur Chancengleichheit und zur Mediation untersucht.

Interessant ist, dass nach der Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach es nur jeder Fünfte auf jeden Fall bei einem Streit auf einen Prozess ankommen lassen würde. Eine größere Gruppe, nämlich 32 % würden einen Prozess möglichst vermeiden und eher nachgeben, auch wenn sie im Recht wären. 44 % meinten, es käme darauf an, wobei nicht gefragt wurde, worauf es denn ankäme.

Demnach müsste der Markt für Mediation eigentlich groß sein, nämlich zumindest einmal bei dem fast einem Drittel der Bevölkerung, die einen Prozess möglichst vermeiden wollten und bei den 44 % die es wovon auch immer abhängig machen.

Diejenigen, die einen Prozess am liebsten vermeiden würden, herrscht vor allem die Angst vor den damit verbundenen Kosten bzw. dem Risiko vor (64 %). Eine gleich große Zahl hält sich nicht für einen Prozesshansel, ihnen widerstrebt es, Streitigkeiten vor Gericht zu klären. Immerhin mehr als jeder Vierte von den Prozessvermeidern fühlt sich Richtern und Anwälten nicht gewachsen und fürchtet, sich vor Gericht nicht behaupten zu können und mehr als jeder Fünfte möchte sich den Gegner nicht dauerhaft zum Feind machen. Wenn das mal keine Argumente für ein Mediationsverfahren sind!

Zu den standhaften Prozessverweigerern zählen 8 % der Bevölkerung, die bei keinem Streitwert vor Gericht ziehen würden. Ansonsten, so haben die Meinungsforscher herausgefunden, würden Betroffene im Durchschnitt ab einem Streitwert von 1.950 € dann doch das Gericht bemühen, wobei diejenigen, die eher einen Prozess vermeiden würden, ihre Schwelle bei 2.800 € sehen, während die prozessfreudigen bereits bei einem Streitwert von 1.210 € den Richter entscheiden lassen würden.

Der Bekanntheitsgrad der Mediation ist nahezu konstant geblieben (64 % gegenüber 65 % in den letzten beiden Jahren). Hier bleibt noch Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere bei Menschen mit einfacher Bildung, bei denen nur 57 % Mediation kennen, während Mediation bei 77 % der Bevölkerung mit höherer Schulbildung bekannt ist.

42 % der Befragten glauben, dass man mit Mediation viele rechtliche Auseinandersetzungen beilegen kann, 42 % sind da eher skeptisch. Bei denjenigen, die schon vor der Befragung von Mediation gehört haben, sind 57 % von den Möglichkeiten der Mediation überzeugt und nur 36 % skeptisch.

Die überwiegende Mehrheit (68 %) sind der Meinung, dass es eine staatlich finanzierte Mediationskostenhilfe geben sollte. Wen wundert es, dass zwei Drittel der Richter und Staatsanwälte das nicht für notwendig erachten (wer sägt schon gern an dem Ast, auf dem er sitzt).

Erfreulich für die Anwälte ist, dass immerhin 63 % der Bevölkerung meinen, das Können des Anwalts sei für den Erfolg vor Gericht (mit)entscheidend. Den Richtern und Staatsanwälten sollte zu denken geben, dass fast ein Drittel der Bevölkerung die Ansicht vertreten, der persönliche Kontakt zu Richtern, Staatsanwälten oder Rechtsanwälten erhöhe die Chancen in einem Prozess.

Das Fazit aus der Befragung ist für mich, dass es eigentlich einen großen Markt für Mediation gibt und dass Mediation auch einen guten Ruf hat, Es sollte daher noch eingehender untersucht werden, was Ursache dafür ist, dass trotz der Bekanntheit von Mediation die Nachfrage danach relativ gering ist.

Zuhören, eine unserer schwierigsten Übungen

Es ist immer wieder erstaunlich, dass die wenigsten Menschen in der Lage sind, anderen zuzuhören. Damit meine ich, dass man wirklich wahrnimmt, was der andere sagt. Das tun Sie doch immer? Ich glaube nicht.

Zuerst geht es darum, wirklich zu verstehen, was der andere meint. Das geht nur, indem man Feedback gibt. Das heißt, indem man Verständnisfragen stellt, um sich zu vergewissern, dass man den Gesprächspartner auch richtig verstanden hat. Voraussetzung ist, den Gesprächspartner überhaupt ausreden zu lassen. Hier empfehle ich meinen früheren Artikel über die 5 Arten der Gesprächspause.

Feedback dient auch dazu, herauszufinden, welcher der 4 Aspekte einer Nachricht von Ihrem Gesprächspartner tatsächlich gemeint war, der Sachaspekt, der Beziehungsaspekt, der Selbstoffenbarungsaspekt und der Appellaspekt (siehe dieser Artikel). Möglicherweise reagieren wir sonst aufgrund bestimmter eigener Befindlichkeit auf einen Aspekt, der vom Gegenüber nicht gewollt war.

Was viele Menschen in der heutigen Zeit lernen müssen, ist schlicht und einfach mal den Mund zu halten. Nur so gelingt zuhören. Tatsächlich erlebt man immer wieder, dass zwei (oder mehr) Personen gegenseitig monologisieren. Die Antwort des Gesprächspartners wird nur nach Stichworten gescannt, um wieder einen eigenen Monolog daran aufzuhängen. Das hat mit Kommunikation nichts zu tun, die ein wenig Gemeinsamkeit voraussetzt. Auch in Talkshows, insbesondere in politischen, lässt sich das sehr schön beobachten. Es ist auch in der Regel völlig egal, was der/die Moderatorin fragt, es wird auf irgendein Stichwort eines Vorredners eine Stellungnahme abgegeben oder ein neuer Aspekt ins Spiel gebracht, der mit der Sache nichts zu tun hat aber die vermeintliche Schwachstelle der anderen Teilnehmer offenbart.

Insbesondere können die wenigsten (ich habe damit gelegentlich – meine Frau meint sehr oft – auch meine Schwierigkeiten) warten, bis der andere ausgesprochen hat. Man meint ja zu wissen, was der andere sagt und fängt nach den ersten paar Worten an, über die eigene Antwort nachzudenken anstatt zuzuhören. Zusammen mit dem Nichtausredenlassen führt das recht schnell zu eskalierenden Konflikten, insbesondere wenn das Thema ohnehin konfliktgeladen ist.

Und hier setzt wieder Mediation ein. Dort wird ein Rahmen geschaffen, in dem den Beteiligten zugehört wird, in dem Verständnisfragen gestellt werden und wo der Mediator auch sicherstellt, dass der gerade zuhörende Teil wirklich erfasst hat, was der andere gesagt hat. Allein dies bewirkt manches deeskalierendes Wunder.

Anwaltliches Selbstverständnis?

Ich hatte vor ein paar Tagen einen Artikel zum Thema „Vom Juristen zum Konfliktmanager“ geschrieben. Ein Kommentar von „Werner“ hierzu lautete wie folgt:

Würden Sie von jemandem, der Fernseher verkauft, auch erwarten, dass er sein Angebot um Bücher erweitert und den Kunden, der einen Fernseher will, zuvor ausführlich über die Vorzüge des Bücherlesens gegenüber dem exzessiven Fernsehkonsum berät?

Klar sollen Anwälte und Richter eine vergleichsweise Einigung vermitteln helfen. Eine Mediation ist aber ein aliud. Wer sowas will, soll gleich zum Mediator gehen.

Da stellt sich für mich die Frage, welches Selbstverständnis Anwälte von ihrem Beruf haben. Klar ist, dass sich jeder Anwalt diese Frage für sich selbst beantworten muss. Der oben zitierte Kommentator sieht sich als Anwalt wohl eher in der Rolle des Kämpfers für das Recht. Es ist sicherlich legitim, seine eigene berufliche Rolle so zu definieren. Nicht richtig ist es allerdings, diese Sichtweise zu verallgemeinern.

Ich meine daher, dass nicht richtig ist, bin Anwalt nur als Verkäufer von Fernsehern anzusehen, der alternative Konfliktlösungsmöglichkeiten (hier die Bücher) überhaupt nicht im Portfolio hat.

Ich meine auch nicht, dass die Mandanten zum Anwalt gehen, weil sie in ihm einen kompromisslosen Kämpfer für Positionen sehen und um einzig und allein die Einbahnstraße von außergerichtlicher Forderungsgeltendmachung zum Prozess zu beschreiten. Sicher gibt es den einen oder anderen Mandanten, der den eigenen Anwalt im übertragenen Sinne als Keule missbrauchen will. Meiner Meinung nach sind die meisten Mandanten weder auf einen juristisch durchsetzbaren Anspruch fixiert noch darauf, irgendetwas kompromisslos durchzusetzen, wenn sie ihren Anwalt erstmals aufsuchen. In aller Regel geht Kompromissbereitschaft aufgrund des juristischen Verfahrens erst verloren.

Mandanten erwarten von ihrem Anwalt – dies ist zumindest meine Meinung – die optimale Lösung eines bestehenden Konflikts. Hierbei erwarten sie, dass der Anwalt eben nicht nur eine Lösungsmöglichkeit anbietet sondern die für den jeweiligen Konflikt beste Möglichkeit. Hierzu gehören eben auch die so genannten alternativen Konfliktlösungen wie Mediation. Diese kann der angesprochene Anwalt war nicht selbst anbieten (da er ja von dem Mandanten insoweit bereits beauftragt ist), er kann das Mediationsverfahren aber juristisch begleiten. Dies ist seitens der Mediatoren auch erwünscht.

Letztlich schadet es ja auch dem Anwalt nicht, wenn er das Spektrum der von ihm angebotenen Leistungen erweitert und dem Mandanten eben auch Mediation bzw. die Begleitung im Mediationsverfahren anbietet.

Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Mandanten heute eben nicht den Juristen sondern den Konfliktmanager für ihren Konflikt wünschen.