Gerichte sind nicht alles

Viele Juristen sind aufgrund ihres Studiums ausschließlich darauf gepolt, dass nur Gerichte Streitigkeiten wirklich lösen können. Deshalb hat juristische Konfliktbearbeitung meistens den gleichen Workflow vom ersten Forderungsschreiben über außergerichtliche Verhandlungen zum Gericht. Damit heizen die Juristen die Konflikteskalation an. Begünstigt wird dies noch durch die Overconfidence-Bias, dem psychologischen Effekt, dass man seine eigene Position immer für stärker hält, als sie eigentlich ist. Fragen Sie einmal die beiden mandatierten Anwälte nach einer prozentualen Bewertung ihrer Erfolgsaussichten. Wenn die Summe der Prozentangaben unter 130 % liegt, waren das sehr vorsichtige Anwälte.

Oft wird nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet, dass Konfliktlösung auch anders gehen könnte. Dabei gibt es unter dem Begriff ADR (Altenative Dispute Resolution) verschiedene andere Konfliktbeilegungsmethoden, die jedoch weitgehend ein stiefmütterliches Dasein fristen.

Als Mediator nenne ich natürlich als erstes Mediation. Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben (§ 1 Abs. 1 MediationsG). Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt(1 Abs. 2 MediationsG). Im Gegensatz zum Schlichter macht der Mediator keinen Lösungsvorschlag. Es ist allein Sache der Medianden, mit Hilfe des Mediators eine Lösung ihres Konflikts zu finden. Der Vorteil ist, dass die Medianden mit dem selbst kreierten Ergebnis viel zufriedener sind, als in allen anderen Verfahren und daher auch die Vereinbarung eher eingehalten wird. Alleinstellungsmerkmal der Mediation ist, dass wegen der fehlenden Entscheidungsbefugnis des Mediators sich die Kommunikation verändert. Da der Mediator in keiner Weise entscheidet oder einen Lösungsvorschlag unterbereitet, ist es für die Medianden sinnlos, den Mediator von ihrer Position überzeugen zu wollen. Die Medianden sind daher gezwungen, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.

Bekannt ist der Öffentlichkeit die zweite Methode, die Schlichtung, vor allem aus den Tarifverhandlungen. Wie bereits erwähnt, ist Kennzeichen der Schlichtung, dass der Schlichter am Ende der Verhandlungen der Parteien einen Schlichterspruch verkündet. Dieser ist für die Parteien nicht bindend. Die Parteien können frei entscheiden, ob sie den Konflikt entsprechend dem Vorschlag des Schlichters erledigen wollen. Der Einfluss der Parteien auf das Ergebnis ist weit geringer, als in der Mediation. Zwar bleiben die Parteien in der Annahme oder Nichtannahme des Schlichtungsergebnisses frei, auf den Inhalt haben sie aber nur begrenzten Einfluss.

Das Schiedsgerichtsverfahren hat alle Vor- und Nachteile eines Gerichtsverfahrens, will heißen, dass die Parteien nur geringen Einfluss auf das Ergebnis haben. Sie haben auch keine Entscheidungsfreiheit mehr, ob sie das Urteil des Schiedsgerichts akzeptieren wollen (ausgenommen von Rechtsmitteln). Vorteil für die Parteien ist, wie bei allen ADR-Verfahren, dass das Verfahren in aller Regel schneller zu einem Ergebnis kommt, als ein Gerichtsverfahren und dass das Ergebnis nicht öffentlich sein muss, was manchmal im Interesse eines oder beider Beteiligten liegt.

Vor allem im Baubereich wird immer mehr vom Adjukationsverfahren Gebrauch gemacht. Hier entscheidet ein Sachverständiger Dritter vorläufig. Diese Entscheidung kann zwar vor Gericht noch angefochten werden, eine Streitigkeit ist aber schnell vorläufig beigelegt, so dass im Baubereich keine längeren Baustillstände entstehen.

In den USA gibt es noch weitere ADR-Verfahren, die dem dortigen Gerichtsverfahren geschuldet sind, wie etwa Early Neutral Evaluation. Aufgrund eines anderen Rechtssystems spielen diese Arten der Konfliktbeilegung bei uns keine Rolle.

Trotz der Vorschrift des § 253 Abs. 3 ZPO (Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; …) werden die Angaben zu einer Mediation oder einem anderen ADR-Verfahren meist untzerlassen, ganz einfach, weil sich weder der Anwalt noch die Partei darüber Gedanken gemacht haben geschweige denn, so etwas in Betracht gezogen haben. Angesichts der Vorteile der ADR-Verfahren sollten die Beteiligten darüber mehr nachdenken. Gerichte sind nicht alles!

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.

Kostenrisiko, Prozessrisiko und Vergleichsbereitschaft

Recht in der MediationMacht das Kostenrisiko eines bevorstehenden Prozesses die Parteien vergleichsbereiter oder anders gesagt, verhindern Rechtsschutzversicherungen einen Vergleich?

Diese Frage kann man anhand des Erwartungswertes einer Klage berechnen, wobei unterstellt wird, dass neben den monetären Zielen keine weiteren Gründe für den Prozess vorhanden sind, was zumindest bei natürlichen Personen oft der Fall ist („Dem werde ich es zeigen!“).

Unterstellt, ein Kläger verlangt von einem Schuldner 10.000 €. Der außergerichtliche Schriftwechsel war erfolglos. Der Kläger schätzt seine Chancen bei Gericht vorsichtig auf 90 % ein (auf hoher See und vor Gericht …). Der Erwartungswert seiner Klage ist daher zunächst hinsichtlich der Klageforderung 90 % von 10.000 €, also 9.000 €. Der Schuldner seinerseits sieht die Sache natürlich anders als sein Gegner, aber meint, zumindest 40 % Chancen zu haben, dass das Gericht die Klage abweist. Sein Erwartungswert ist daher 6.000 €. In dieser Phase der Verhandlungen besteht kaum eine Einigungsmöglichkeit, weil der Schuldner allenfalls seinen Erwartungswert anbieten wird (6.000 €) und der Gläubiger aber nicht weniger als seinem Erwartungswert = 9.000 € zufrieden sein wird.

Sind beide Parteien rechtsschutzversichert, bleibt die Situation auch im Falle einer Klage gleich, da beide kein Kostenrisiko haben. Es gibt keinen Einigungsbereich. Die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens belaufen sich auf gerundet 5.400 €. Der Erwartungswert des Gläubigers verringert sich demnach um seinen Kostenanteil, den er zu tragen hätte. Er beläuft sich daher auf 9.000 € abzüglich dem zu erwartenden Kostenanteil von 540 €, insgesamt also auf 8.460 €. Auch der Schuldner muss für den Fall des Prozesses neu rechnen. Er geht immer noch von einer Chance von 40 % aus. Sein Risiko ist also 6.000 € zuzüglich des entsprechenden Kostenanteils von 3.240 €, insgesamt also 9.240 €. Und siehe da, es tut sich ein Einigungsraum zwischen 8.460 € und 9.240 € auf. Wenn der Schuldner nun außergerichtlich einen Betrag zwischen diesen beiden Werten zahlt, steht er besser oder zumindest genauso schlecht da, als wenn er es auf einen Prozess ankommen lässt.

Das funktioniert natürlich so nicht mehr, wenn die Kosten real bereits angefallen sind. Natürlich ist der Erwartungswert lediglich ein mathematischer Wert aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Kein Gericht wird (normalerweise) den Erwartungswert ausurteilen. Ob man dem Erwartungswert nachgibt, ist natürlich auch eine Frage der Risikobereitschaft der jeweiligen Partei.

Es ist aber immer interessant, einmal die Wahrscheinlichkeit und den Erwartungswert eines Prozesses durchzurechnen, zumal das menschliche Gehirn nur schlecht mit Wahrscheinlichkeiten umgehen kann. Wie würden Sie einen Fall beurteilen, bei dem es drei Fragen zu klären gibt und bei allen dreien sind Sie der Meinung, zumindest 75 % Wahrscheinlichkeit spricht für Ihre Position. Würden Sie ein Angebot von 50 % der Forderung annehmen?

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Gerade einmal etwas mehr als 42 %, Sie wären gut beraten, einen hälftigen Vergleich zu akzeptieren. Wir bieten daher ein Seminar auch für Juristen und Rechtsanwälte zur Prozessrisikoberechnung an.

Letztlich sollte bei realistischer und unemotionaler Betrachtungsweise das Prozesskostenrisiko die Vergleichsbereitschaft erhöhen, vorausgesetzt, Sie sind nicht rechtsschutzversichert.

Der letzte Teddybär

Ich werde nie vergessen, als mir ein damaliger Anwaltskollege voller Entsetzen schilderte, dass er mit einem Scheidungsehepaar und dem gegnerischen Kollegen Stunden damit verbracht hatte, den gesamten Hausrat Stück für Stück zu verteilen. Nur am letzten Stück, einem Teddybären, scheiterte dann die Hausratsauseinandersetzung, weil keiner der Eheleute bereit war, ihn dem anderen Teil zu überlassen. Er konnte nur den Kopf darüber schütteln und es war für ihn unbegreiflich, wie die Beteiligten so unvernünftig sein konnten.

Dabei war das durchaus erklärbar und sogar wahrscheinlich. Die Verlustaversion ist ein starkes Moment und sie ist stärker als eine Gewinnerwartung. Demnach werden vermeintliche Verluste auch viel stärker wahrgenommen, als Gewinne. Dadurch, dass man den Hausrat Stück für Stück verhandelte, waren es immer Vrhandlungen über knappe Ressourcen, nämlich den einen Hausratsgegenstand. Zudem gab es keine Möglichkeit für einen Kompromiss sondern nur Sieger und Verlierer (wenn man das so bezeichnen will). Da aber die vermeintlichen Verluste viel stärker im Gedächtnis blieben als die Gewinne, so hatte natürlich jeder der beiden (auch wenn genau hälftig geteilt wurde) das Gefühl, stärker nachgegeben zu haben als der Andere. Um dieses so empfundene Defizit zu beheben, mussen beide zumindest das letzte Teil für sich in Anspruch nehmen und keiner konnte nachgeben. So musste die Verhandlung letztlich scheitern. Der Gegenstand, um den es ging, war dabei bedeutungslös, es häte auch ein Häkeldeckchen sein können.

Es ist daher zwar einerseits wichtig, in deiner Verhandlung oder Mediation die zu verhandelnden Punkte zu strukturieren. Man muss aber aufpassen, dass man dann letztlich wieder Pakete schnürt, damit Raum für eine Konsenslösung geschaffen wird. Bei Verhandlungen (oder Mediationen) über Hausrat, aber auch bei anderen Konfliktthemen, ist es daher ratsam, einige Sachen (oder Themen) zusammenzufassen und dann über die Lösung zu diskutieren.

Eine Möglichkeit, solche Probleme souverän zu meistern und Konsenslösungen zu erzielen ist die Methode des nedifreien Teilens (oder Scheidungsformel oder adjusted winner Methode). Wie das funktioniert können Sie am Samstag, dem 09.08.2014 im Rahmen unserer Sommerakademie in einem Seminar (von 9 Uhr bis 16 Uhr) anhand von Beispielen erlernen (außerdem auch die Methode des systemischen Konsensierens). Das Seminar findet in Saarbrücken statt. Das Anmeldeformular können Sie sich hier herunterladen oder Sie senden uns eine kurze Mail.

Sie müssen nur böse gucken…

Lissi 1Wer seine Forderung in einer Verhandlung mit einem grimmigen stechenden Blick stellt, hat die Chance, ein besseres Ergebnis zu erzielen, als ein Verhandler, der freundlich oder neutral aussieht. Dies haben Forscher der Harvard University in einem Experiment heruasgefunden.

Es ist ein neuer Beleg dafür, in welchem Maße wir von der Körpersprache unseres Gesprächs- oder Verhandlungspartners beeinflusst werden. In dem Experiment wurden Freiwillige mit der Aufgabe betraut, einen Dollar mit einem Verhandlungspartner zu teilen. Wenn der Verhandlungspartner mit dem Teilungsvorschlag einverstanden war, erhielt jeder seinen Teil und die Sache war beendet. War der andere Teil nicht damit einverstanden, erhielten beide nichts.

Den Testpersonen wurde jeweils ein Video der Verhandlungspartnerin gezeigt. Das war immer dieselbe Frau, die man gebeten hatte, einmal neutral und einmal wütend in die Kamera zu sehen. Die jeweiligen Videoclips wurden den Testpersonen zusammen mit einer schriftlichen Forderung vorgespielt, in der die Person entweder eine hälftige Teilung oder eine Teilung 30:70 zu ihren Gunsten forderte.

Der „böse Blick“ führte zu eindeutig höheren Angeboten bei denen, von denen eine Teilung 30:70 zugunsten der anderen Person geforert wurde. Dagegen hatte die Mimik in dem Videoclip keine Auswirkungen, wenn eine hälftige Teilung gefordert wurde.

Erstaunlich war das Ergebnis um so mehr, als es sich ja nicht um echte Wut gehandelt hatte, sondern der Gesichtsausdruck „gefaked“ war.

Also können Sie in Ihrer nächsten Verhandlung mehr herausholen, wenn Sie bei Ihren Forderungen grimmig ausschauen. Ob allerdings das Endergebnis dann tatsächlich zur befriedung beiträgt, wage ich zu bezweifeln.

In einer Mediation sollte daher die Mediatorin bzw. der Mediator auf solche körpersprachlichen Signale achten und diese gegebenenfalls hinterfragen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.

Hier gefunden.

Nur mit Gesichtsverlust

Wenn man die derzeitige Debatte umd die PKW-Maut verfolgt, so ist das ein Musterbeispiel, wie man Verhandlungen nicht führen soll. Es zeigt sich, dass man beim üblichen Basarverhandeln (intuitives Verhandlungsmodell) letztlich immer an Galubwürdigkeit verliert.

Eine der schlechtesten Taktiken beim intuitiven Verhandeln ist die Selbstbindung. Das bedeutet, dass man etwas als sein letztes Angebot ausgibt oder mit Verhandlungsabbruch droht, wenn die Forderung nicht erfüllt wird. Genau das macht der CSU-Vorsitzende Seehofer derzeit, indem er den Bruch der Koalition in Aussicht stellt, wenn er seinen Mautkopf nicht durchsetzen kann. Das ist eine klare Verlierer-Strategie, bei der alle nur verlieren können (einschließlich uns Wahlbürgern).

Entweder verliert Seehofer seine Glaubwürdigkeit, wenn er doch bei der Maut einknickt oder aber er fährt die Koalition gegen die Wand, obwohl derzeit die Gegner der Maut eher in den eigenen (allerdings CDU-)Reihen sitzen. Mit einer solchen Drohung kann man letztlich nur verlieren. Denn selbst wenn Seehofer mit seiner Tatktik durchkommt werden die Koalitionspartner in Zukünftigen Fragen von ihm klare Zugeständnisse erwarten. Ob das für die CSU in Summa dann Vorteile bringt, wage ich zu bezweifeln.

Die Bundeskanzlerin hat in diesr Frage längst ihre Glauwürdigkeit eingebüßt, als sie vor der Wahl erklärt hat, dass es eine PKW-Maut mit ihr nicht gebe. Auch so eine Selbstbindung, die sie nicht einhalten konnte und nun mit dem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit bezahlen musste.

Letztlich wären alle nur zu retten, wenn die EU gegen die Maut, wie sie auch immer aussehen wird, ihr Veto einlegt. Dann kann man das eigene Gesicht wahren, dann war es ja die böse EU, die das verhindert hat.

Ich habe fast das Gefühl, dass alle Beteiligten an diesem Geschachere darauf hoffen. So führt man aber keine Verhandlungen, die mit einem Kooperationsgewinn enden sollen. Daher meine Damen und Herren Politiker: Setzen, sechs!

Ein Aha-Erlebnis beim Blick in die Berufsordnung der Anwälte

Wo steht denn das? wird hier auf der Site der Integrierten Mediation gefragt. Mit „das“ ist der folgende Text gemeint: „Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern.“

Richtig! Das ist § 1 abs, 3 BORA, Berufsordnung für Rechtsanwälte. Ja Anwälte sollen (auch) konfliktvermeidend und streitschlichtend tätig sein. Ich hatte das Thema bereits einmal hier auf meinem Blog angesprochen. Leider fiel der erste Kommentar hierzu nicht gerade positiv aus. Nein Anwälte müssen nicht alle zum Mediator mutieren. Was sie aber lernen sollten (und aufgrund der Vorschrift der BORA eigentlich auch müssen) ist interessengerchtes Verhandeln für ihre Mandanten.

Leider wird die Kunst des integrativen Verhandelns an der Universität nicht gelehrt und die meisten Anwälte gehen davon aus, dass ihre intuitive Art des Verhandelns, nämlich das distributive Verhandeln (=Feilschen) die richtige Art ist. Das kommt daher, dass (zumindest der zivilrechtliche) Rechtsstreit ein reines Nullsummenspiel ist, der Gewinn des einen entspricht immer dem Verlust des anderen. Das Gericht ist an die Anträge gebunden und kann keine Zusätzlichen Verhandlungsgegenstände einbringen, die eine Win-Win-Lösung erlauben könnten.

So werden von den Juristen in aller Regel klassische Kompromisse produziert (wenn es

überhaupt zum Vergleich kommt).  Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht es: Kompromisse und das Vergleichsverhandeln der (meisten) Anwälte und Richter findet ausschließlich auf der roten Linie statt, das ist die Nullsummenlinie.

Der Bereich jenseits dieser Linie führt zu Ergebnissen, bei denen beide Parteien gewinnen. Dorthin kann man aber nur kommen, wenn man den Bereich des (einen) Anspruchs verlässt und weitere Punkte einbezieht. Das lernen die Juristen aber nicht auf der Uni. Für sie besteht die Welt aus begrenzten Ressourcen und damit nur aus Verteilungsproblemen.

Deshalb sind eigentlich die Anwälte aufgrund ihrer Berufsordnung verpflichtet, auch die integrative Verhandlung in ihr Repertoire aufzunehmen, weil sie ansonsten eben nicht streitvermeidend und streitschlichtend tätig sind.

Leider haben wohl die meisten Anwälte diesen Passus in ihrer Berufsordnung entweder nicht gelesen oder nicht verinnerlicht und verstoßen daher ständig gegen die Berufsordnung. Sie haben nur das Glück, dass die Wächter über die Einhaltung der Berufsordnung auch Juristen sind und daher die Angelegenheit aus dem gleichen Blickwinkel sehen.

Die juristische Null

Nein, es geht hier nicht um einen Juristen, der sich durch besonders gute Kenntnisse hervorgetan hat. Mit dem Titel dieses Posts meine ich, dass die Juristen aufgrund ihrer Ausbildung meistens davon ausgehen, dass ein Rechtsstreit ein Nullsummenspiel darstellt.

Von einem Nullsummenspiel spricht man dann, wenn der Gewinn der einen Seite dem Verlust der anderen Seite entspricht und daher wenn man Gewinn und Verlust zusammengerechnet eine Nullsumme herauskommt.

Ein Zivilprozess ist ein typisches Nullsummenspiel. Es geht inhaltlich immer um einen konkreten Antrag. Gewinnt die eine Seite, wird die andere Seite einen entsprechenden Verlust erleiden. Diese Art des Denkens in Nullsummen bekommen sämtliche Juristen im Rahmen ihres Studiums antrainiert. Im Zivilrecht geht es immer nur um die Frage, wer bekommt was von wem woraus? Vergleiche kommen im Studium nicht vor.

Dieses Denken in Nullsummen bleibt dem Juristen auch eine Referendarzeit erhalten, da er in aller Regel Urteile schreiben muss, das sind Nullsummen-Entscheidungen. Bestenfalls erlebte er in der einen oder anderen mündlichen Verhandlung, dass Vergleiche abgeschlossen werden. Leider sind die meisten Vergleiche vor Gericht nichts anderes als Kompromisse, d.h. wir bleiben im gesetzten Rahmen der Nullsumme.

Aus diesem Nullsummendenken kann man nur ausbrechen, wenn man juristische Auseinandersetzungen nicht als reine Verteilungskämpfe begreift, in denen lediglich um eine begrenzte Ressource (meistens Geld) gestritten wird. Voraussetzung ist, dass man begreift, dass in aller Regel eben nicht nur um diese eine begrenzte Ressource geht, sondern dass es immer wieder daneben noch andere Interessen der beteiligten Parteien gibt, bei deren Einbeziehung in die Verhandlungen „der Kuchen größer“ wird und damit das Ergebnis eben keine Nullsummen mehr ergibt.

Schöne Theorie? Nein! Ein typisches Beispiel sind die Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten. Eigentlich ein typisches Nullsummenspiel: Entweder ist die Kündigung gerechtfertigt oder sie ist unwirksam, dazwischen gibt es nichts. Dabei hier der Kuchen dadurch vergrößert wird, dass die Frage einer Abfindung in die Verhandlungen einbezogen wird, ist plötzlich Raum und Möglichkeit für eine Vereinbarung geschaffen, bei der unter dem Strich für beide Parteien mehr als Null herauskommt.

Es ist daher für jeden Anwalt sinnvoll, das Nullsummendenken einmal hinter sich zu lassen und zu überlegen, ob es im konkreten Fall nicht irgendwelche zusätzlichen Interessen gibt, die man in die Verhandlungen einbeziehen kann und aufgrund derer man in die Lage versetzt wird, nicht nur Kompromisse in der Form abzuschließen, dass einer gewinnt und einer verliert, sondern bei denen man echte Konsenslösungen schaffen kann, bei denen beide Parteien gewinnen.

Hierzu gehört aber auch, dass man als Rechtsanwalt nicht alles ausblendet, was außerhalb der Anspruchsgrundlagen des konkreten Anspruchs liegt. Hier muss man beim Mandanten einmal hinterfragen, welche wahren Interessen er hat. Oft finden sich hier Anhaltspunkte, die den Zugang zu einer Konsenslösung darstellen. Sei es auch nur das Interesse des Mandanten, die (Geschäfts-) Beziehung zu anderen Seite zufriedenstellend aufrechtzuerhalten. Oder es geht nur darum, die eigene Leistung gewürdigt zu sehen (das ist in manchen Fällen der Hintergrund einer Unterhaltsforderung).

In aller Regel handelt es sich bei einem Konflikt (und jeder Rechtsstreit stellt einen Konflikt dar) eben nicht um einen Streit um eine einzige begrenzte Ressourcen sondern in aller Regel handelt es sich um ein Konglomerat von Interessen, aufgrund derer man Konsenslösungen erarbeiten kann. Dies eröffnet ein weites Feld, die Mandanten wirklich zufriedenzustellen.

Person und Problem getrennt behandeln…

…das ist eine der Grundanforderungen der Harvard-Verhandlungsmethode (Siehe „Das Harvard-Konzept: Der Klassiker der Verhandlungstechnik“ von Roger Fisher und Willam Ury u.a.). Dies bedeutet, dass man im Rahmen von Verhandlungen auf der Sachebene bleibt und vorhandene Störungen im zwischenmenschlichen Bereich davon getrennt verhandelt oder bespricht. Das ist bei Verhandlungsthemen, die die Verhandlungspartner auch emotional bewegen, natürlich eine recht schwer einzuhaltene Forderung. Zumal einige psychologische Fehler bzw. Irrtümer zu emotionalen Spannungen zwischen den Parteien beitragen.

Das eine ist der sogenannte Attributionsfehler. Das bedeutet, dass man dem anderen in der Regel unterstellt, aus eigenem Antrieb, wegen bösen Willens oder wegen eines Charakterfehlers sich in einer gewissen Weise zu verhalten und hierbei völlig vernachlässigt, dass auch äußere Faktoren Einfluss haben können. Bei uns selbst sehen wir das genau umgekehrt. Bei uns sind es immer die äußeren Faktoren. Dies führt dazu, dass wir unserem Verhandlungspartner Böswilligkeit unterstellen, auch wenn er unser Angebot aufgrund äußerer Umstände gar nicht annehmen kann. Dies führt schnell zu einer Verschlechterung der Verhandlungsbeziehung.

Das zweite ist, dass wir andere so behandeln, dass wir unser Selbstwertgefühl und Machtgefühl aufrecht erhalten können. Wenn wir uns von dem anderen Verhandlungspartner zurückgesetzt fühlen, werden wir in aller Regel entsprechend unser Selbstwertgefühl wiederherstellen, indem wir den anderen herablassend behandeln.

Das Dritte ist die selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn wir den Verhandlungspartner unterstellen, uns gegenüber feindlich gesinnt zu sein, wird er sich auch genau so verhalten.

Gegen diese vielfachen Möglichkeiten, doch das Problem und den Menschen in einen Topf zu werfen und damit die Verhandlung zum Scheitern zu bringen, ist es nur sehr schwer ohne fremde Hilfe anzugehen. Hier ist der Vorteil des Einsatzes eines Mediators bzw. des Mediationsverfahrens. Ein (guter) Mediator wird darauf achten, dass die menschliche Seite getrennt von der sachlichen Seite erörtert wird. Er wird auch auf die Gefahren der oben aufgeführten Irrtümer achten und die Verhandlungspartner hierauf hinweisen. Wenn er/sie sieht, dass die Diskussion von Sachthemen durch persönliche Konflikte gestört wird, wird er die persönlichen Konflikte zunächst zu klären versuchen, um eine vertrauensvolle Basis für die Behandlung der Sachthemen zu schaffen.

Perspektivenwechsel mit Fallstricken

Perspektivenwechsel ist ein von Mediatoren gern genutztes Werkzeug, das gegenseitige Verständnis für den jeweiligen Konfliktpartner zu fördern und so den Weg für einen Konsens zu ebnen. Beim Perspektivenwechsel versetzt man sich in die Rolle und Position eines anderen hinein und versucht einen Sachverhalt aus dessen Sicht und Standpunkt zu sehen. Perspektivenwechsel ist auch eine gute Methode, sich auf eine Verhandlung vorzubereiten.

Neuere Forschungen haben aber ergeben, dass ein Perspektivenwechsel durchaus auch kontraproduktiv sein kann. Das Program on Negotiation der Harvard Law School berichtet hier auf dem Blog von Forschungen über das Verhalten bei Perspetivenwechsel. Nicholas Epley von der University of Chicago und Eugene Caruso und Max Bazerman von der Harvard University haben hierzu einige Experimente durchgeführt. Die Probanden sollten die faire Teilung einer knappen Ressource bestimmen. Die eine Hälfte (die Selbst-Bezogene) wurden gefragt, wie viele zu nehmen für sie fair wäre. Die andere Hälfte (die Fremd-Bezogene) wurde gefragt, wieviele für den anderen fair wäre zu nehmen. Wie zu erwarten war, war es für die selbstbezogene Gruppe fair, mehr von der knappen Ressource zu nehmen, während die andere Gruppe weniger wollte.

Dann wurde von den Forschern überprüft, was die Probanden nun tatsächlich tun, wenn sie mit der Aufteilung einer knappen Ressource konfrontiert sind. Es ging um die Aufteilung von Schokoladeplätzchen. Die theoretische Frage nach der Aufteilung wurde wie oben beantwortet. Tatsächlich nahmen aber die fremdbezogene Gruppe mehr von den Plätzchen als die Selbstbezogenen.

Wie das? Die Forscher erklären das damit, dass, wenn wir die Perspektive der anderen betrachten, wir davon ausgehen, dass sie selbstsüchtiger handeln und uns dies wiederum veranlasst, uns selbst wiederum egoistischer zu verhalten. Die Forscher meinen daher, dass der Perspektivenwechsel mit Vorsicht genutzt werden sollte. Es könnte sein, dass es einem nicht gefällt, was man im Kopf des anderen sieht.

Perspektivenwechsel ist zwar nach wie vor ein gutes Mittel, Verhandlungen in der Mediation voranzubringen. Man sollte sich aber der Gefahren bewusst sein.

Nicht so schnell, Leute

Sowohl in Mediationen als auch in Verhandlungen streben die Beteiligten meistens (fast immer) viel zu schnell auf einen Einigungsversuch zu. Meist wird aber genau dadurch die Tür zu einer Vereinbarung zugeschlagen. Sowohl in der Mediation als auch in Verhandlungen (zumindest nach dem Harvard-Modell) sollen die Phasen der Suche nach möglichen Lösungen und dem Entscheiden, welche Lösung die richtige ist, strikt getrennt werden. Warum?

Nur wenn man sich im Rahmen der Suche nach Lösungsmöglichkeiten ganz bewusst noch nicht unter Einigungsdruck setzt, besteht die Möglichkeit, auch möglichst viele Optionen zu entdecken. Am besten ist es, wenn man sich bereits vorher möglichst viele (eventuell auch verrückte) Möglichkeiten für die Lösung des Konflikts bzw. des Verhandlungsgegenstands ausdenkt. Aber auch im Rahmen der Mediation oder Verhandlung sollte das geschehen. Man sollte dann auch klar diese Phase der Lösungssuche benennen und zuvor vereinbaren, dass noch nicht darüber diskutiert wird, ob eine Lösungsoption praktikabel oder gewünscht wird. Das ist wie bei Brainstorming, wo es auch erst einmal darauf ankommt, so viele Möglichkeiten wie möglich zu sammeln (Quantität geht vor Qualität).

Auch wenn diese Phase abgeschlossen ist, ist es noch nicht Zeit, sich auf eine Diskussion darüber einzulassen, welche Option gewählt wird. Nun ist es sinnvoll, erst einmal abstrakte Kriterien zu erarbeiten, an denen man die Praktikabilität der zu suchenden für beide besten Option messen will. Erst wenn man sich auf diese abstrakten Kriterien geeinigt hat, kann man die Lösungsoptionen an diesen Kriterien messen. So vermeidet man auf jeden Fall, dass man ins reine Feilschen verfällt (meist mit dem Nebeneffekt steigender Emotionalität).

Die Geduld für diese einzelnen Schritte wird in aller Regel dadurch belohnt, dass man eine optimale und befriedigende Lösung findet.