Ich hatte hier bereits einmal darauf hingewiesen, dass offenbar die deutschen Mediatoren so einwandfrei arbeiten, dass keinerlei Urteile zu Schadensersatzansprüchen gegen Mediatoren zu finden sind (außer einem, das so eindeutig war, dass danach niemand mehr den Mut hatte, einen Mediator zu verklagen?).
In der Tat sind bei kunstgerechter Durchführung der Mediation wenig Angriffsflächen für Schadensersatzansprüche denkbar. Zunächst hatte das Amtsgericht Lübeck in dem mir bisher einzigen bekannten Fall, in dem es um Ansprüche gegen den Mediator ging, zu Recht darauf hingewiesen, dass die Parteien in der Mediation eigenverantwortlich handeln und nicht der Mediator – selbst wenn es sich um einen Anwaltsmediator handelt – für die Parteien entscheidet.
Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft Familien-Mediation (BAFM) weist auf ihren Internetseiten unter Berufung auf das Handbuch Mediation auf folgende neuralgischen Punkte hin:
- Nicht mediabler Konflikt (keine Einigungschance);
- Dokumentationspflicht verletzt (Beginn und Ende der Mediation nicht nachvollziehbar, Folge beispielsweise Verjährung);
- Verstöße gegen Neutralitätspflicht (vorvertragliche Beziehungen zu einer Konfliktpartei);
- Verletzung der Vertraulichkeit;
- nicht vollständige oder nicht eindeutige Formulierung des Memorandums;
- schleppende Verhandlungsleitung trotz ersichtlicher Dringlichkeit;
- Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten (z.B. rechtzeitiger Hinweis auf das Erfordernis anwaltlicher Beratung, wodurch Ausschlussfristen versäumt werden);
- nicht oder zu spät erfolgter Abbruch;
- aber auch Abbruch zur Unzeit und ohne wichtigen Grund.
Die meisten Punkte halte ich nicht gerade risikobehaftet. Ob ein Konflikt mediabel ist, wird sich in aller Regel erst während der Mediation herausstellen. Im übrigen liegt diese Frage normalerweise im Ermessen der Parteien und nicht des Mediators.
Eine Verletzung der Dokumentationspflicht halte ich auch nicht für möglich. Zunächst ist es fraglich, ob dem Mediator eine solche Dokumentationspflicht überhaupt obliegt. Im übrigen wird normalerweise am Beginn einer Mediation ein Vertrag zwischen den Parteien und dem Mediator abgeschlossen, so dass der Beginn der Mediation eigentlich feststeht. Am Ende der Mediation steht bei erfolgreicher Mediation das Memorandum. Bei Scheitern der Mediation dürfte das Datum der letzten Mediationssitzung ja feststellbar sein.
Die Neutralitätspflichten sind im MediationsG mittlerweile geregelt. Hier könnte in der Tat ein Haftungsrisiko bestehen. Auf der anderen Seite begründet ein Verstoß hiergegen ja nicht automatisch einen Schaden, der über die bisher gezahlten Kosten der Mediation hinausgeht.
Die Einhaltung der Vertraulichkeit sollte für einen Mediator selbstverständlich sein. Klar kann ein Verstoß hiergegen eine Schadensersatzpflicht begründen.
Das Memorandum (= die abschließende vertragliche Vereinbarung) wird üblicherweise mit den Medianden nochmals besprochen und auf Vollständigkeit überprüft. Im übrigen ist es die Vereinbarung der Parteien und nicht die des Mediators. Fehler in diesem Zusammenhang begründen normalerweise keine Ansprüche gegen den Mediator, zumal der Mediator darauf hinweisen muss, dass diese Vereinbarung nochmals juristisch überprüft werden sollte (das nehme ich bereits in den Mediationsvertrag als Hinweis mit auf).
Wenn die Mediationsverhandlungen schleppend verlaufen, liegt dies im Verantwortungsbereich der Medianden. Hieraus Ansprüche herleiten zu wollen, halte ich für gewagt.
Den Hinweis auf anwaltliche Beratung nehme ich mit in den Vertrag zwischen den Medianden und dem Mediator auf. Dies ist auch üblich so. Selbstverständlich ist es nicht Aufgabe des Mediators, die Medianden rechtlich zu beraten und auf etwaige Ausschlussfristen hinzuweisen. Auch hier bleibt es bei der Eigenverantwortlichkeit der Medianden.
Ebenso ist für den Abbruch der Mediation zunächst einmal nicht der Mediator verantwortlich. Auch insoweit besteht die Eigenverantwortlichkeit der Medianden. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn dem Mediator auffällt, dass sich eine Partei nicht eigenverantwortlich verhalten kann, weil sie etwa geistig gestört ist oder in starkem Maß von einem Suchtmittel abhängig ist. Inwieweit ein Mediator aber hier eine Garantenpflicht für eine der Parteien hat, ist bisher nicht geklärt. Das Mediationsgesetz sagt hierzu lediglich, dass sich der Mediator vergewissert, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben und freiwillig an der Mediation teilnehmen (§ 2 Abs. 2 MediationsG).
Dass der Mediator eine Mediation zur Unzeit beendet oder ohne Grund, halte ich nicht für sehr wahrscheinlich. Der Mediator darf eine Mediation beenden, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist (§ 2 Abs. 5 MediationsG).
Nach alledem halte ich das Haftungsrisiko des Mediators für durchaus überschaubar. Das erklärt denn wohl auch die geringe Anzahl von Urteilen zu diesem Thema. Ob eine Mediatorin oder ein Mediator deshalb eine Vermögensschadenshaftpflicht abschließen sollten, muss jeder für sich entscheiden. Einer der Vorteile ist sicherlich – wie auf der Seite der BAFM erwähnt – die Versicherung für die Abwehr von (auch ungerechtfertigten) Ansprüchen sorgen muss.