In den USA wurde im Jahre 2016 eine empirische Studie von Donna Shestowsky von der University of California darüber veröffentlicht, wie Prozessparteien die Charakteristika rechtlicher Verfahren bewerten. Das Ergebnis dieser Studie ist – sofern sie auf europäische oder deutsche Verhältnisse zu übertragen ist, durchaus auch für die Mediation interessant. Befragt wurden Prozessparteien unmittelbar nachdem der Prozess rechtshängig wurde und noch vor einer Entscheidung.
Einmal hat die Verfasserin der Studie herausgefunden, dass die Parteien es vorziehen, wenn unparteiische Dritte, sei es ein Richter oder ein Mediator, in das Verfahren involviert werden. Sie wünschen, dass die Dritten den Prozess als solchen managen, wobei ihnen am liebsten ist, wenn es vorgegebene Verfahrensregeln gibt. Vom Dritten gegebene Regeln sind eher die zweite Wahl.
Das Ergebnis des >Verfahrens möchten die Parteien selbst kontrollieren. Ein Weg, diese Kontrolle auszuüben, wäre ein Vetorecht der Parteien – mehr aber wollen sie auch nicht.
Die befragten Parteien legten großen Wert darauf, bei der Präsentation ihres Falles vor dem unparteiischen Dritten selbst anwesend zu sein, selbst ihren Fall vorzutragen wäre nur die zweite Wahl. Was sie nicht wollen ist einmal selbst frei mit der Gegenpartei sprechen und auch vom Lösungsprozess ausgeschlossen zu sein.
Je besser sich die Parteien kennen, desto weniger attraktiv ist es für sie, das Verfahren zu kontrollieren. Vermutlich kennen sie sich aus vorhergehenden Auseinandersetzungen zu gut.
Die Parteien wollen eigentlich nicht selbst entscheiden, ein Vetorecht reicht ihnen aus. Sie wollen auch einen Rest der Kontrolle über die Lösung der Dritten Person, sei es ein Richter oder ein Mediator, überlassen als selbst die volle Verantwortung über das Ergebnis zu übernehmen.
Die Konfliktbeteiligten möchten auch nicht die volle >Kontrolle über das Verfahren haben. Sie wollen zwar im Verfahren dabei sein, aber auch dabei vertreten sein. Sie möchten auch lieber über ihren Standpunkt – wenn sie den selbst sprechen müssen – mit dem Richter oder Mediator sprechen als direkt mit der Gegenpartei oder dass der Anwalt ohne sie den Fall repräsentiert.
Die Frage ist, wie gehen wir als Mediatoren damit um? Auf jeden Fall sollten die Beteiligten am Konflikt bei dem Mediationsverfahren dabei sein. Das ist eigentlich zumindest bei uns in Deutschland im Mediationsverfahren der Normalfall.
Allerdings legen wir als Mediatoren eigentlich Wert darauf, dass die Konfliktparteien – zumindest im fortgeschrittenen Mediationsprozess – in direktem Austausch kommunizieren. Eine Einbeziehung von Anwälten in die Mediation ist eigentlich nur in Wirtschaftsmediationen üblich und auch da wird eher darauf geachtet, dass die Parteien ihre Interessen in erster Linie selbst vertreten. In Trennungs- und Scheidungsmediationen sollten die Konfliktpartner schon selbst sprechen und nicht sich von Anwälten vertreten lassen.
Eine ähnliche Forschungsarbeit für den europäischen oder deutschsprachigen Raum kenne ich nicht. Es wäre sicherlich interessant, auch hier eine solche Untersuchung vorzunehmen – nicht zuletzt, um zu wissen, was wir am Design der Mediation eventuell verändern müssen, um mehr Akzeptanz zu erreichen. Mein heutiger Rat wäre, zumindest bei der Vorstellung von Mediation bei Interessenten mehr in den Vordergrund zu stellen, dass die Kommunikation (zumindest am Anfang) noch über den Mediator läuft und weniger im direkten Austausch. Vielleicht sollten wir auch darüber nachdenken, dass die Parteien weniger Vorbehalte gegenüber Lösungsvorschlägen der Mediatoren haben, als die Mediatoren selbst.