Letztlich geht es bei allem, was wir tun und lassen um die Aufrechterhaltung oder Stärkung unseres Selbstwertgefühls. Ja auch dieser Blogbeitrag dient doch letztlich dazu, mein Selbstwertgefühl zu stärken, sonst würde ich die Zeit nicht dafür investieren. Wie und auf welche Weise jeder einzelne dieses Ziel erreichen will, ist abhängig von seiner Persönlichkeit und davon, wo und an welcher stelle er meint, ein Defizit in seinem Selbstwertgefühl zu haben oder welche Strategien zur Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls sich für ihn bisher als erfolgreich erwiesen haben. Die einen werden so zu erfolgreichen Geschäftsleuten, die anderen landen deshalb im Gefängnis-
Ja und? Was hat das mit Anwälten zu tun?
Sehr viel! Wir alle kennen die Mandanten, die mit dem Ergebnis eines Mandats unzufrieden sind, obwohl der Anwalt der Meinung ist, dass er hier absolut das Optimum herausgeholt hat. Andererseits freuen wir uns auch über Mandanten, die vor Dankbarkeit überlaufen, obwohl wir eher das Gefühl haben, ein Abstaubertor geschossen zu haben oder das Ergebnis eigentlich für suboptimal halten.
Die juristische Konfliktlösungsmethode nimmt von ihrer Konzeption her zunächst einmal keinerlei Rücksicht auf das Selbstwertgefühl der Konfliktbeteiligten. Auch das Verfahren als solches ist eher ungeeignet, das Selbstwertgefühl der Streitenden aufrecht zu erhalten bzw. diese Frage ist für das juristische Konfliktlösungsverfahren schlicht irrelevant. Aber sie ist es nciht für die vom Konflikt Betroffenen.
Jeder Konflikt wird von den Beteiligten Personen als Angriff oder Einschränkung des Selbstwertgefühls erlebt (deshalb ist der Begriff des Konflikts auch mit negativen Gefühlen besetzt). Die Konfliktbearbeitung soll daher dieses angegriffene Selbstwertgefühl wieder herstellen. Der Sachkonflikt (der Anspruch) ist daher nur das Vehikel zur Wiederherstellung des Selbstwertgefühls (auf der anderen Seite wird das Selbstwertgefühl gegen den vermeintlich unberechtigten Angriff verteidigt). Solange sich daher die juristische Konfliklösung im Bereich des Nullsummenspiels bewegt, bleibt immer zumindest ein geschädigtes Selbstwertgefühl auf der Strecke. Der Konflikt wird daher letztlich auf der personalen Eben nicht gelöst und es wird weiter versucht werden, diese Lücke zu füllen (so kommt es dann zum perpetuum mobile der Nachbarschaftskonflikte). Dort wo sich die Beteiligen nach Abschluss des Konflikterledigungsverfahrens nie wieder begegnen und die Einschränkung des Selbstwertgefühls gering erachtet wird, kann das vernachlässigt werden,
Das Problem für die beauftragen Konfliktbearbeiter (=Anwälte) ist, dass von den Beteiligten der eigentliche Knackpunkt, der zu der gefühlten Einschränkung führt, oft nicht benannt wird (oder werden kann). So verwundert es nicht, dass ein gewonnener Prozess gelegentlich nicht dazu führt, dass der Mandant zufrieden ist, weil die dadurch erhoffte Wiederherstellung des Selbstwertgefühls ausbleibt, sei es, weil das Verfahren hierzu nicht geeignet war (der Richter hat nur über den Anspruch verhandelt und der Mandant durfte nicht genug sagen) oder weil sich herausstellt, dass das Vehikel (der Anspruch) letztlich ungeeignet war.
Ein Anwalt, dem an der Zufriedenheit seines Mandanten liegt, wird hierauf Rücksicht nehmen. Einmal kann er zunächst herauszufinden versuchen, in welcher Weise das Selbstwertgefühl seines Mandanten durch den Konflikt betroffen ist. Möglicherweise findet er dann heraus, dass der geltend gemachte Anspruch überhaupt nicht der eigentliche Streitpunkt ist (das ist immer dann der Fall, wenn es dem Mandanten ums Prinzip geht). Dann gilt es den eigentlichen Knackpunkt heruszufinden und diesen Punkt zu lösen. Eine weitere von guten Anwälten oft unbewusst angewandte) Methode ist es, die Wertigkeit der erlebten Einschränkung des Selbstwertgefühls zu bearbeiten (die Erwartungshaltung herabzuschrauben). Wer wenig erwartet wird sich über ein wenig mehr freuen, wer alles erwartet ist über jedes Prozent weniger enttäuscht). Die dritte Methode ist, das geeignete Konfliktlösungsverfahren zu wählen.
Hier ist Mediation oft das geeignete Verfahren. Kernpunkt der Mediation ist es, die hinter den Ansprüchen stehenden Interessen herauszuarbeiten. Das ist aber nichts anderes, als den eigentlichen Punkt der erlebten Einschränkung des Selbstwertgefühle herauszuarbeiten. Die in der Mediation erstrebte Win-Win-Lösung ist nichts anderes als die Lösung, die für beide Parteien keine Einschränkung des Selbstwertgefühls verursacht. Oft führt Mediation auch zu der Erkenntnis, dass die von der anderen Seite vertretene Ansicht eben nicht einen Angriff auf das eigene Selbstwertgefühl darstellt sondern eher eine Verteidigung des Selbstwertgefühl des anderen. Auch diese Erkenntnis macht Wege für einvernehmliche (konfliktfreie) Lösungen möglich.