Es ist immer schön zu erfahren, welche Kreativität manche Trennungs- und Scheidungsparteien im Rahmen der Lösung der anstehenden Probleme an den Tag legen. Ein Teilnehmer an einer unserer MediatorInnen-Ausbildung berichtete von einem Fall aus seiner Nachbarschaft, die bei der Regelung des Umgangs- und Betreuungsrechts für ihre Kinder eine besonders kreative Lösung gefunden hatten (und das sogar ohne MediatorIn).
Normalerweise wird dem Elternteil, bei dem die Kinder nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben zumindest ein Umgang alle zwei Wochen über das Wochenende gewährt. Getrennte Eltern, die ihren Kindern beide Elternteile gleichmäßig erhalten wollen, vereinbaren oft ein Wechselmodell, dass die Kinder z.B. wochenweise von einem Elternteil zum anderen wechseln. Das geht aber nur, wenn die Wohnungen der Eltern nicht so weit entfernt liegen, dass der Schul- oder Kindergartenbesuch dadurch nicht behindert ist.
Das Paar, von dem der Teilnehmer berichtete, hat die Sache einfach auf den Kopf gestellt. In diesem Fall haben die Eheleute vereinbart, dass die Kinder im (gemeinsamen) Haus wohnen bleiben und die Eltern turnusmäßig wechseln. Und das erstaunliche daran ist, dass dieses außergewöhnliche Wechselmodell nun bereits seit längerem funktioniert und das sogar, obwohl beide Elternteile mittlerweile jeweils einen neuen Partner haben.
Man sieht wieder einmal, dass die von den Betroffenen selbst gewählten Lösungen die haltbarsten sind. Ich gestehe, dass ich als Mediator doch zumindest hinterfragt hätte, ob dieses Modell funktionieren kann, da ich schon Bauchweh gehabt hätte. Aber die Lösung, die die Medianden finden muss nun mal überhaupt nicht die Lösung sein, die ein Mediator im Kopf hat (gestehen wir es uns ein, jede(r) Mediator(in) hat eine Lösung im Kopf, ein(e) gute(e) Mediator(in) achtet aber darauf, dass sei/er die Medianden nicht im Sinne seiner Lösung beeinflusst).