In der kleinen Stadt Sankt Ingbert, wenige Kilometer östlich von Saarbrücken, gibt es eine denkmalgeschützte alte Baumwollspinnerei, die nach dem Willen der Stadt und des Investors zur Kulturfabrik ausgebaut werden soll. Geplant sind
– Galerie- und Museumsräume
– Wohnungen und Arbeitsräume
– Ateliers und Werkräume
– Verkaufs- und Ausstellungsräume
– Gastronomie
Doch seit Monaten tut sich nichts an der Baustelle. Nur mit Mühe konnte Ende letzten Jahres verhindert werden, dass Zuschüsse wegen Zeitablaufs verloren gehen. Die Schuld an dem Stillstand schieben sich seit Monaten Generalunternehmer, Investor und Stadt in die Schuhe, ohne dass sich irgend etwas bewegt. Auch innerhalb des Stadtrates ist das Projekt stark umstritten. Ein klassischer Mehrparteienkonflikt.
Doch nun hatte der Stadtrat die rettende Idee: Ein Mediator muss her und die Sache in Ordnung bringen. Das Mediatorenherz in mir jubelt! Ja das ist die richtige Idee. Die Tränen, die mir danach kommen, sind allerdings keine Freudentränen. Wer meint, die Stadtverordneten hätten sich wenigstens bruchstückhaft kundig gemacht, was Mediation ist und wie es funktioniert, hat sich geschnitten. Es wird nicht einmal klar, ob die Stadt überhaupt die Bereitschaft der anderen beiden Beteiligten geklärt hat, ob sie überhaupt zu einer Mediation bereit sind. Gut, das ließe sich ja noch nachholen. Die Stadt ist aber dann gleich der Meinung, sie selbst gehöre nicht in die Mediation. Der Mediator müsse mit den beiden anderen Parteien reden, dann käme die Stadt ins Spiel, meinte der Oberbürgermeister. Einige Stadtverordnete bestanden aber darauf, dass der Mediator für alle drei Parteien sei (hatte der mal was von Allparteilichkeit des Mediators gehört?).
Das Trauerspiel aber zum Schluss. In nichtöffentlicher Sitzung wurde dann ein Saarbrücker Rechtsanwalt zum Mediator bestimmt, der keinerlei Mediationsausbildung, geschweige denn -Erfahrung hat. Er wird aufgrund seiner hohen Sachkompetenz, seiner Verhandlungserfahrung und seines Verhandlungsgeschicks sowie insbesondere seiner konzilianten Art in Verbindung mit einer ausgeprägten Ergebnisorientierung als sehr geeignet für die beschriebene Aufgabe angesehen, so die Sitzungsunterlage laut Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 22.02.2014 (Ausgabe St. Ingbert, Seite C1). Mediationskompetenz? Spielt offenbar keine Rolle! Ausbildung als Mediator und Erfahrung in dieser Tätigkeit? Brauchen wir nicht!
Hier wird unter dem Slogan Mediation gesegelt, ohne dass das irgendetwas mit Mediation zu tun hat. Verhandlungserfahrung mag zwar für einen Mediator ganz gut sein, das reicht aber nicht aus, um eine Mediation zu führen. Mediation ist doch mehr, als ein wenig zu verhandeln. Mediation ist ein klar strukturiertes verfahren mit dem Ziel, interessengerechte Lösungen zu finden und nicht nur kurzfristig haltbare Kompromisse. Gerade den Schritt von Positionen zu den dahinter liegenden Interessen zu gehen, bedarf bestimmter Kenntnisse und Techniken, die in einer Mediationsausbildung vertieft vermittelt werden. Das kann man nicht, nur weil ein Konfliktpartner jemanden für konziliant hält.
Hier hätten die Beteiligten gut daran getan, sich erst einmal über Mediation kundig zu machen. Hierzu wäre jeder der saarländischen Mediatoren gern bereit gewesen oder ist noch dazu bereit. Oder dient das “Mediationsverfahren” tatsächlich dazu, wie auch vermutet wird, lediglich Zeit zu gewinnen, um dann einen Grund zu finden, aus dem Projekt ganz auszusteigen?
Das schlimme daran ist aber, dass das Scheitern dieser Verhandlungsbegleitung durch einen Juristen dem Ruf der Mediation schaden wird, obwohl es nie eine Mediation war.