strukturierend Visualisieren – Teil 3: Die Mediaglyphen

In Teil 1 hatte ich in das strukturierende Visualisieren in der Mediation eingeführt und in Teil 2 die Moderationstafel vorgestellt. Nun geht es um die Mediaglyphen.

Mediaglyphen ist ein Kunstwort aus Mediation und Hieroglyphen. Es geht darum, die Aussagen der Medianden einzuordnen in verschiedene Kategorien und diese zu kennzeichnen. Das soll für den Mediator so einfach wie möglich sein, damit er seine geistigen Kapazitäten (sie sind bei uns Menschen nunmal – zumindest was den Arbeitsspeicher anbelangt – sehr begrenzt) beim Zuhören und nicht beim Malen lassen kann.

Ich verwende folgende Mediaglyphen (das ist kein muss, jeder kann seine eigenen Mediaglyphen nutzen):

Personen
Mit dem Personensymbol werden alle am Konflikt beteiligten Personen gekennzeichnet. Das sind in erster Linie die Medianden selbst. Aber auch weitere Personen, die in dem Konflikt bzw. seiner Lösung eine Rolle spielen, können aufgeführt werden, so z.B. in einer Trennungs- und Scheidungsmediation die Kinder des Paares oder die Eltern und so weiter.

Sichtweise
Dieses stilisierte Auge soll die jeweilige Sichtweise Kennzeichnen. Damit soll klargestellt werden, dass jede Wahr-nehmung tatsächlich nur eine Konstruktion einer subjektiv vom Gehirn als bildgebendes Verfahren dargestellten Realität ist. Aus diesem Grund ist es in der Mediation von eminenter Bedeutung, Sichtweisen auch als solche zu Kennzeichnen und den Medianden auch den Unterschied zwischen Informationen (Wirklichkeit erster Ordnung) und Sichtweise (Wirklichkeit zweiter Ordnung) zu erklären.

Information
Dieses Piktogramm bezeichnet Informationen der Medianden oder von Dritten. Zu beachten ist hierbei, dass unter diesem Label keine Wertungen der Medianden notiert werden. Hier muss zwischen Wirklichkeiten erster und zweiter Ordnung nach Watzlawick unterschieden werden. Wirklichkeiten erster Ordnung sind alle Tatsachen, die sich in der Beobachtung oder experimentell objektiv immer mit dem gleichen Ergebnis feststellen lassen. Diese Wirklichkeit erster Ordnung wird mit dem Piktogramm “Information” versehen. In der Mediation werden von mir auch Tatsachen, über die sich beide Medianden einig sind, als Information gelabelt.

Anspruch/Forderung/Standpunkt
Das Piktogramm Anspruch/Forderung/Standpunkt) nutzt der Mediator immer dort, wo eine Mediandin eine Forderung erhebt. Immer wenn die Mediandin sagt: “Ich will…” oder “Mir steht … zu” oder ähnliches, wird diese Aussage mit diesem Piktogramm versehen. Notwendig wird eine Abgrenzung zu einem Wunsch oder Interesse.

Konfliktthema
Mit diesem Symbol werden die von den Medianden genannten Streitpunkte oder Streitthemen gekennzeichnet. Vor allem in den ersten beiden Phasen der Mediation werden immer wieder Punkte genannt werden, über die die Medianden uneins sind und die in der Mediation noch abgehandelt werden sollen. Werden diese Streitpunkte in dieser Form visualisiert, können der Mediator und auch die Medianden am Ende überprüfen, ob alle Themen abgearbeitet wurden und ob für alle Themen eine Vereinbarung getroffen wurde.

Interesse
In der Phase der Konflikterhellung geht es darum, die Interessen und Bedürfnisse der Medianden zu ermitteln, um so eine Grundlage für die Konfliktlösung zu erarbeiten. Die Interessen sind von reinen Wünschen und von Forderungen und Ansprüchen zu unterscheiden.Nimmt der Mediator diese Differenzierung nicht vor, dreht sich die Diskussion meist nutzlos im Kreise.

Lösungsidee
Bei mit diesem Piktogramm versehenen Notizen handelt es sich um Lösungsideen für die in der Mediation behandelten Themen. Diese Lösungsideen können jederzeit und nicht nur in der Phase der Lösungssuche vermerkt werden und als Merkposten auf der Moderationswand angebracht werden ohne dass zu einem Zeitpunkt außerhalb der Auswahl der Lösung über den Inhalt des Lösungsvorschlags diskutiert wird. Durch das Posten des Lösungsvorschlags an der Moderationswand wird deutlich, dass diese Idee nicht unter den Tisch gekehrt wird, sondern zu einem späteren, dann passenden Zeitpunkt bewertet wird.

Vereinbarung
Immer dann, wenn die Medianden im Rahmen des gesamten Ablaufs der Mediation in irgendeinem Punkt eine Vereinbarung miteinander treffen, wird diese festgehalten und mit diesem Piktogramm versehen. Am Ende kann dann noch einmal überprüft werden, ob alle Vereinbarungen in der Gesamtsicht zusammenpassen und von den Medianden akzeptiert werden. Sämtliche Notizen mit diesem Symbol können dann leicht zu einer Abschlussvereinbarung verarbeitet werden, sei es durch den Mediator, sei es durch den Notar oder die Rechtsanwälte.

Frage
Fragen, die im Laufe der Mediation auftauchen und noch geklärt werden müssen, können mit diesem Piktogramm gekennzeichnet werden. Dies können einmal Fragen sein, denen sich die Medianden später noch widmen wollen. Insoweit dient diese Kategorie auch als ein Container für noch zu klärende Themen. Zum anderen kann diese Piktogramm auch Fragen bezeichnen, die von Dritten gelöst werden müssen, Wenn z.B. eine Rechtsfrage auftaucht, um deren Beantwortung man den jeweiligen Anwalt bitten will oder wenn die Medianden eine Dritte Person um Information nachsuchen wollen.

Emotion
Das Emotion-Piktogramm kennzeichnet Emotionen, die festgehalten werden müssen, wobei das Piktogramm der geäußerten Emotion angepasst werden kann/sollte. So passt sicherlich das lächelnde Gesicht nicht, wenn ein Mediand von Ärger oder Angst spricht.

Dies sind die wichtigsten Mediaglyphen. Es ist auch nicht sinnvoll, zu viele verschiedene Mediaglyphen zu verwenden. Wenn Ihnen eine fehlt, steht es Ihnen frei, noch weitere zu entwickeln. Es sollte aber noch nutzbar bleiben. Wenn Sie jedes mal, wenn Sie eine Mediaglyphe nutzen wollen, erst einen Katalog durchblättern müssen, ist das System nicht mehr praktikabel.

Im 4. Teil werden wir uns mit den Klebezetteln und Stiften und Farben befassen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.