Es ist zu wenig…

…was mir bleibt bzw. was ich bekomme. Das ist meist die Meinung der einen oder anderen Seite bei einer Familienmediation, wenn es um Unterhalt geht. Leider kommt es so gut wie nie vor, dass das vorhandene Einkommen reicht, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Eine der schwierigsten Aufgaben für den Mediator ist es daher, bei einer Mediation von Unterhaltsfragen vom puren Feilschen wegzukommen. Wie kann das gelingen?

Bei einem Streit um die Höhe des Unterhalts handelt es sich um einen typischen Konflikt um knappe Ressourcen. Wie kann man damit in der Mediation umgehen?

Der erste Schritt ist, dass man gemeinsam die vorhandenen Ressourcen zusammenträgt. Im Klartext: Es wird das gesamte Einkommen der beiden Konfliktpartner zusammengetragen sowie die bestehenden Belastungen, um so zunächst eine gemeinsame Beurteilungsbasis zu schaffen. Absehbare Veränderungen wie etwa ein Steuerklassenwechsel aufgrund der Trennung der Parteien sollte hier bereits mit eruiert werden, um sie bei einer Lösungsfindung berücksichtigen zu können. Wenn sich die Konfliktbeteiligten über diese Grundlagen geeinigt haben, sollten beide durch ihre Beratungsanwälte einmal eine Unterhaltsberechnung erstellen lassen. Dann ist zumindest der Spielraum bekannt, in dem sich eine rechtliche Lösung bewegen würde.

Jetzt geht das Feilschen los? Nein!

Der nächste Schritt in der Mediation ist, die Interessen hinter den Positionen herauszufinden. Das Interesse ist es in der Regel nicht nur, über möglichst viel Geld zu verfügen. Erste Maßnahme ist die Ermittlung des Bedarfs der Konfliktbeteiligten, d.h. sie bekommen einen Haushaltsfragebogen, in dem dezidiert jeder einzelne mögliche Posten aufgeführt ist und zahlenmäßig bestimmt werden muss. Das Ergebnis ist von beiden Partnern ein zahlenmäßig bestimmter Bedarf. Diesen kann man noch differenzieren in feste Ausgaben sowie notwendige variable Ausgaben und „Luxus“-Ausgaben. Weiter kann man „höhere“ Interessen feststellen, z.B. wie Kindeswohl konkret von den Parteien verstanden wird. Es dürfen aber auch eigene „egoistische“ Interessen benannt werden. Es nützt nichts, diese – weil doch so egoistisch – hinter dem Berg zu halten. Sie spielen ja letztlich doch eine Rolle!

Als nächstes wird untersucht, ob Bedarf und Ressourcen, sprich um Belastungen bereinigtes Einkommen, zur Deckung gebracht werden können. Falls nein, können die Konfliktparteien überprüfen, ob es bei den knappen Ressourcen verbleiben muss oder ob nicht Möglichkeiten vorhanden sind, die Ressourcen zu erweitern. Kann das verfügbare Einkommen erhöht werden, durch Erweiterung der beruflichen Tätigkeit, Nebenjobs oder Verringerung von Belastungen. Es gibt hier drei Stellschrauben: Erhöhung des Einkommens, Verringerung der Belastungen oder herausfinden sonstiger letztlich ressourcenerweiternder Möglichkeiten, wie z.B. Kinderbetreuung oder Überlassung von billigem Wohnraum etc. Hier ist Kreativität gefragt und es sollten zunächst alle nur denkbaren Möglichkeiten gesammelt werden, ohne sie bereits an dieser Stelle zu bewerten.

Die von den Konfliktpartnern zusammengetragenen Möglichkeiten werden dann an den im zweiten Schritt benannten Maßstäben gemessen. Inwieweit kann der Bedarf, der jeweils ermittelt wurde, gedeckt werden, inwieweit werden die eigenen Interessen oder die gefundenen gemeinsamen Interessen wie etwa Kindeswohl bei den einzelnen Möglichkeiten berücksichtigt? Da es letztlich ein Konflikt um begrenzte Ressourcen geht, wird es kaum möglich sein, alle Interessen zu befriedigen. Gleichwohl kann ein Konsens herbeigeführt werden, indem die jeweiligen Interessen anerkannt werden. Aufgrund der Erkenntnis, dass hier nur eine Lösung möglich ist, in der beide gleichviel verlieren, dies aber für beide erkennbar und nachvollziehbar offen gelegt wird, kann trotzdem eine für alle befriedigende Lösung gefunden werden, die nichts mit Feilschen und „über den Tisch ziehen“ zu tun hat, weil die Kriterien selbst entwickelt und nicht von einem Gericht bzw. Gesetzen und Rechtsprechung vorgegeben wurden.

So kann auch in Unterhaltsfragen Mediation gelingen, ohne dass nur über Zahlen gefeilscht wird.

Unterhalt in der Familienmediation

Über kaum ein Thema wird in Trennungs- und Scheidungssituationen so ausgiebig und intensiv gestritten wie über Unterhalt. Dies gilt natürlich auch für Mediationsverfahren. Hier ist es besonders schwierig, als Mediator durch entsprechende Gesprächsführung die Klienten davon abzuhalten, sich in endlose Basarverhandlungen zu verstricken.

Der erste Schritt muss sein, den Klienten begreiflich zu machen, dass – abgesehen von völlig unproblematischen Fällen – in der Regel sich ein Unterhaltsbetrag nicht einfach mathematisch errechnen lässt, sondern dass hier durchaus Wertungsfragen bei deneinzelnen Positionben des Einkommens und der anrechenbaren Belastungen auftreten können. Da der Mediator selbst neutral bzw. allparteilich ist, kann er selbst als Jurist keine Unterhaltsberechnung vornehmen. Er kann allenfalls grundsätzlich erklären, wie Unterhalt berechnet werden kann. Ein verantwortungsvoller Mediator wird seine Klienten aufordern, sich durch die jeweiligen Beratungsanwälte den Unterhalt berechnen zu lassen.

Die Ergebnisse der Berechnung werden in der Regel voneinander abweichen, weil jeder Anwalt zunächst einmal alle Grundlagen der Unterhaltsberechnung im Sinne seines Mandanten berücksichtigt bzw. außer Betracht lässt. Allerdings wird das Ergebnis der Berechnungen dafür sorgen, dass gewisse Punkte unstreitig werden und die noch zu erörternden Probleme konkretisiert werden.

Dieser Annäherung an eine Konsenslösung mit juristischen Mitteln stelle ich in der Familienmediation immer eine zweite Lösung gegenüber. Die juristische Lösung basiert immer auf der Vergangenheit, will sagen, es wird aufgrund des bisherigen Einkommens eine Unterhaltsverpflichtung berechnet. Mediation will aber die Zukunftsperspektive in den Mittelpunkt stellen. Aus diesem Grund lassen wir die Klienten den tatsächlichen Bedarf ermitteln. Grundlage ist ein Fragebogen über die festen und variablen Ausgaben der Klienten. Es handelt sich hier um einen leicht modifizierten Fragebogen aus dem Buch von John M. Haynes, Reiner Bastine, Gabriele Link und Axel Mecke „Scheidung ohne Verlierer“ (dort Seite 85/86).

Haben die Klienten mit diesem Hauhaltsplan den jeweiligen Lebensbedarf ermittelt, stellen wir dem die gemeinsamen Einnahmen gegenüber. Übersteigt das verfügbare Einkommen den kumulierten Bedarf der Klinten, ist es meist problemlos möglich, eine Konsenslösung zu erreichen. In der Regel übersteigt aber der Bedarf beider Klienten das kumulierte Einkommen. Nun kann auf der Grundlage der Hauhaltsplände und der Einkommensermittlung diskutiert werden, wie das gemeinsame Einkommen erhöht oder der Bedarf einvernehmlich verringert werden kann. Hier ist dann auch Raum dafür, eine Klärung mit den Klienten herbeizuführen, welche Interessen hinter den einzelnen Positionen des Haushaltsplans stehen.

Aus den Eckpunkten, hier Berechnung des Unterhalts nach Düsseldorfer Tabelle, dort Berechnung des Unterhaltsbedarfs nach Haushaltsplan, lässt sich dann eine Konsenslösung mit den Klienten entwickeln.

Sicher macht es einem Unterhaltsverpflichteten dann nicht wirklich mehr Freude, Unterhalt zu zahlen. Wenn der Unterhalt aber nicht nur theoretisch anhand der Düsseldorfer Tabelle errechnet wurde sondern bei der Berechnung ein konkreter nachvollziehbarer Bedarf zugrunde gelegt wurde und auch die eigenen Interessen berücksichtigt wurden, lässt sich zumindest die Unterhaltspflicht besser ertragen.

Dies gilt um so mehr, als nach den neuen Unterhaltsregelungen für den nachehelichen Unterhalt nach dem dritten Lebensjahr der Kinder die Frage des Unterhalts ohnehin Billigkeitserwägungen unterliegt, die jetzt erst von der Justiz konkretisiert werden. Gerade Billigkeitserwägungen lassen aber Raum für mediative Lösungen.