Nein, es geht hier nicht um einen Juristen, der sich durch besonders gute Kenntnisse hervorgetan hat. Mit dem Titel dieses Posts meine ich, dass die Juristen aufgrund ihrer Ausbildung meistens davon ausgehen, dass ein Rechtsstreit ein Nullsummenspiel darstellt.
Von einem Nullsummenspiel spricht man dann, wenn der Gewinn der einen Seite dem Verlust der anderen Seite entspricht und daher wenn man Gewinn und Verlust zusammengerechnet eine Nullsumme herauskommt.
Ein Zivilprozess ist ein typisches Nullsummenspiel. Es geht inhaltlich immer um einen konkreten Antrag. Gewinnt die eine Seite, wird die andere Seite einen entsprechenden Verlust erleiden. Diese Art des Denkens in Nullsummen bekommen sämtliche Juristen im Rahmen ihres Studiums antrainiert. Im Zivilrecht geht es immer nur um die Frage, wer bekommt was von wem woraus? Vergleiche kommen im Studium nicht vor.
Dieses Denken in Nullsummen bleibt dem Juristen auch eine Referendarzeit erhalten, da er in aller Regel Urteile schreiben muss, das sind Nullsummen-Entscheidungen. Bestenfalls erlebte er in der einen oder anderen mündlichen Verhandlung, dass Vergleiche abgeschlossen werden. Leider sind die meisten Vergleiche vor Gericht nichts anderes als Kompromisse, d.h. wir bleiben im gesetzten Rahmen der Nullsumme.
Aus diesem Nullsummendenken kann man nur ausbrechen, wenn man juristische Auseinandersetzungen nicht als reine Verteilungskämpfe begreift, in denen lediglich um eine begrenzte Ressource (meistens Geld) gestritten wird. Voraussetzung ist, dass man begreift, dass in aller Regel eben nicht nur um diese eine begrenzte Ressource geht, sondern dass es immer wieder daneben noch andere Interessen der beteiligten Parteien gibt, bei deren Einbeziehung in die Verhandlungen „der Kuchen größer“ wird und damit das Ergebnis eben keine Nullsummen mehr ergibt.
Schöne Theorie? Nein! Ein typisches Beispiel sind die Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten. Eigentlich ein typisches Nullsummenspiel: Entweder ist die Kündigung gerechtfertigt oder sie ist unwirksam, dazwischen gibt es nichts. Dabei hier der Kuchen dadurch vergrößert wird, dass die Frage einer Abfindung in die Verhandlungen einbezogen wird, ist plötzlich Raum und Möglichkeit für eine Vereinbarung geschaffen, bei der unter dem Strich für beide Parteien mehr als Null herauskommt.
Es ist daher für jeden Anwalt sinnvoll, das Nullsummendenken einmal hinter sich zu lassen und zu überlegen, ob es im konkreten Fall nicht irgendwelche zusätzlichen Interessen gibt, die man in die Verhandlungen einbeziehen kann und aufgrund derer man in die Lage versetzt wird, nicht nur Kompromisse in der Form abzuschließen, dass einer gewinnt und einer verliert, sondern bei denen man echte Konsenslösungen schaffen kann, bei denen beide Parteien gewinnen.
Hierzu gehört aber auch, dass man als Rechtsanwalt nicht alles ausblendet, was außerhalb der Anspruchsgrundlagen des konkreten Anspruchs liegt. Hier muss man beim Mandanten einmal hinterfragen, welche wahren Interessen er hat. Oft finden sich hier Anhaltspunkte, die den Zugang zu einer Konsenslösung darstellen. Sei es auch nur das Interesse des Mandanten, die (Geschäfts-) Beziehung zu anderen Seite zufriedenstellend aufrechtzuerhalten. Oder es geht nur darum, die eigene Leistung gewürdigt zu sehen (das ist in manchen Fällen der Hintergrund einer Unterhaltsforderung).
In aller Regel handelt es sich bei einem Konflikt (und jeder Rechtsstreit stellt einen Konflikt dar) eben nicht um einen Streit um eine einzige begrenzte Ressourcen sondern in aller Regel handelt es sich um ein Konglomerat von Interessen, aufgrund derer man Konsenslösungen erarbeiten kann. Dies eröffnet ein weites Feld, die Mandanten wirklich zufriedenzustellen.