Richtiger müsste es eigenlich heißen “Konflikteskalationsprophylaxe”. Denn es kann nicht darum gehen, jeglichen Konflikt von vornherein zu verhindern. Unterschiedliche Meinungen, Wahrnehmungen, Sichtweisen und Erfahrungen sind als Konfliktpotenzial vorhanden und auch notwendig. Wie soll ein Unternehmen sich weiterentwickeln, wenn alle Mitarbeiter bis hinauf zur Unternehmensführung immer der gleichen Meinung sind. Das Unternehmen würde im wahrsten Sinne des Wortes erstarren, starr und unbeweglich werden.
Es ist daher eine Binsenweisheit, dass Konflikte erforderlich sind, damit Entwicklung stattfindet. Letztlich geht es aber darum, eine Konflikteskalation zu verhindern und die damit verbundene Abwärtsentwicklung.
Erste Voraussetzung ist die Entwicklung einer Konfliktkultur im Unternehmen. Das bedeutet, dass Konflikte erkannt und anerkannt werden und nicht aus Angst unter den Teppich gekehrt werden und dort so lange weiterschwelen, bis sie sich zu einem Flächenbrand entwickelt haben. Dies setzt voraus, dass unterschiedliche Meinungen anerkannt und ernst genommen werden. Wohin es führen kann, wenn Konflikte nicht angesprochen werden dürfen (oder vielleicht auch vermeintlich nicht angesprochen werden dürfen) erleben wir gerade beim VW-Konzern. Dort haben Ingenieure nicht gewagt, zu kommunizieren, dass die Versprechungen des Vorstands nicht eingehalten werden können. Man ist vor diesem Konflikt geflohen und hat lieber mit Tricks und Betrug gearbeitet.
Jede Meinung sollte ernst genommen werden und – ganz wichtig – nicht herabgewürdigt werden.
Am besten orientiert sich ein Unternehmen bei der Konfliktprophylaxe an dem “Circle of Conflict” (hier habe ich bereits einmal darüber geschrieben). So kann man z.B. die Strukturen des Unternehmens möglichst konfliktfrei gestalten. Das könnte etwa bedeuten, Hierarchien abzubauen oder so auszugestalten, dass sie von den Mitarbeiter(inne)n akzeptiert sind. Wichtig zum Beispiel auch die Gestaltung des Kommunikationsflusses im Unternehmen. Uninformierte Mitarbeiter sind verunsichert und hieraus entwickeln sich eskalierende Konflikte. Es gibt sicherlich keine Universallösung, die man jedem Unternehmen überstülpen kann. Hier muss – ein erster Schritt zur Konfliktkultur – das gesamte Unternehmen einbezogen werden. Interessengegensätze zwischen Unternehmensbereichen (der Vertrieb hat völlig andere Interessen als die Produktion oder die Buchhaltung) müssen offengelegt und diskutiert werden.
Das ist sicherlich eine anspruchsvolle und zeitaufwendige Aufgabe. Mit einem TQM-gleichen Handbuch ist es sicherlich nicht getan. Hier muss das Bewusstsein aller Mitarbeiter und der Unternehmensführung geschärft bzw. verändert werden. Es lohnt sich aber, wenn man bedenkt, dass nach einer Studie der Wirtschaftskammer Wien ein gutes Konfliktmanagement zu Einsparungen von 19 % der Kosten führen kann.