The Einstellung effect

GerfriedEs macht doch Spass, wenn es nicht nur im Deutschen viele Anglizismen gibt sondern auch im Englischen viele Germanismen wie etwa “Eiertanz” und andere. So bin ich beim Lesen eines Blogposts der amerikanischen Mediatorenkollegin Tammy Lenski über das ur-englische Wort “Einstellung effect” gestolpert. Die Kollegin hatte einen Artikel mit der Überschrift “Do you fall prey to the Einstellung effect in problem solving?” (Werden Sie beim Problemlösen Opfer des Einstellung-Effekts?) gepostet.

Tatsächlich ist der Einstellungseffekt durchaus praxisrelevant, auch für Mediatoren. Was ist das nun? Der Einstellungseffekt bedeutet. dass wir aufgrund früherer Erfahrungen mit der Lösung derselben Art einen früheren Lösungsweg beibehalten, obwohl es evtl. einen besseren gibt. So benannt hat den Effekt Abraham Luchins, ein amerikanischer Psychologe. Schon 1942 machte er Experimente mit Umfüllaufgaben. Er gab den Probanden 3 Wasserkannen, eine mit 21 Einheiten, eine mit 127 Einheiten und eine mit 3 Einheiten Wasser. Die Aufgabe war, genau 100 Einheiten abzumessen. Das geht recht einfach: Sie füllen die Kanne mit 127 Einheiten, füllen dann daraus die Kanne mit 21 Einheiten und füllen aus der großen Kanne noch zweimal die kleinste Kanne und es verbleiben genau 100 Einheiten.

Nachdem die Probanden diese Aufgabe gelöst hatten, stellte er ihnen wieder 3 Wasserkannen hin, eine mit 39, eine mit 15 und eine mit 3 Einheiten. Die Probanden sollten nun 18 Einheiten abmessen. Die meisten der Testteilnehmer nahmen nun die vorherige Strategie und füllten die größte Kanne, gossen dann die 15 Einheiten in die Mittlere und zweimal 3 Einheiten in die Kleine und hatten 18 Einheiten.

Einfacher wäre es aber gewesen, einmal die mittlere Kanne mit 15 Einheiten und einmal die kleine mit 3 Einheiten zu füllen.

Der Einstellungseffekt hindert uns, die bessere Lösung zu finden. Wir nutzen in der Regel Lösungsstrategien, die bereits vorher einmal erfolgreich waren. Ein schönes Beispiel für diesen Effekt ist folgende Geschichte (sie ist zumindest gut erfunden): Ein LKW hatte sich unter einer Eisenbahnbrücke festgefahren, weil der Fahrer die Höhenbegrenzung übersehen hatte. Es erschienen verschiedene Fachleute vor Ort und diskutierten darüber, wie sie den LKW wieder flott machen könnten. Es wurde überprüft, ob man nicht die Brücke mit Hydraulikpressen etwas anheben könnte. Bis ein kleiner Junge, der sich die Sache angesehen hatte und den Diskussionen gelauscht hatte, meinte, man könnte doch einfach die Luft aus den Reifen des LKW ablassen. Auf diese einfache Idee waren die Ingenieure aufgrund des Einstellungseffekts nicht gekommen.

In der Mediation kommt es darauf an, neue kreative Lösungen für die Konfliktlösung zu entwickeln. Auch hier bleiben die Beteiligten meist in den (in dem Fall nicht bewährten) Lösungsmustern hängen, über die sie sich auch ohne Hilfe des Mediators bereits seit langem streiten. In den Experimenten wurde ein Teil der Teilnehmer vor der zweiten Runde gewarnt, nicht blind für neue Lösungen zu sein. Das verhalf zumindest der Hälfte der Probanden zur besseren Lösung. Es bietet sich daher auch für den Mediator an, die Medianden auf diesen Effekt hinzuweisen. Vielleicht bricht es die selbstgesetzten Denkschranken auf. Ferner sollte man den Medianden Gelegenheiten und Zeit geben, neue Lösungswege zu finden.

Auch wenn man als Mediator eigene Lösungen nicht oder nur sehr zurückhaltend einbringen sollte, muss auch der Mediator sich selbst überprüfen, ob er nicht in diese Denkfalle selbst hineintappt. Das beste Beispiel für das Verlassen gewohnter Lösungswege ist für mich der Fall eines Ehepaares, das sich über das Aufenthaltsrecht der Kinder gestritten hatte. Sie kamen zu der (auch für mich überraschend neuen) Lösung eines Wechselmodells, allerdings wechselten nicht die Kinder sondern die Eltern. Die Kinder blieben im Haus wohnen und die Eltern wechselten sich im Monatsrhythmus ab.