Eines der mächtigsten Werkzeuge des Mediators ist es, nicht nur mit den Medianden zu sprechen, sondern die Komplexität der zu behandelnden Konflikt-Themen zu visualisieren. Ein Flipchart oder Whiteboard ist eine unverzichtbare Ausstattung eines Mediationszimmers.
Das menschliche Gehirn ist bekanntermaßen nur in der Lage 7 +/- 2 Informationseinheiten im Arbeitsgedächtnis zu behalten. Durch das Speichern von Informationen auf dem Whiteboard oder Flipchart kann eine größere Zahl von Fakten festgehalten werden.
Wegen der begrenzten Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses haben wir uns auch angewöhnt, alle Argumente in einer Diskussion so lange zu wiederholen, bis wir meinen, sie sind beim Gegenüber wirklich gespeichert. Das macht manche Diskussion so extrem unfruchtbar. Auch das wird durch das Visualisieren der Argumente und Informationen verhindert. Man sieht, dass das Argument/die Information auf dem Flipchart festgehalten wurde und man muss es/sie nicht noch sechs bis acht mal reproduzieren.
Der dritte Vorteil des Visualisierens ist die Strukturierung von Komplexität. Durch das Festhalten auf dem Whiteboard oder Flipchart kann man die gerade diskutierten Probleme/Streitpunkte Gliedern und in einzelne Teile zerlegen. Gerade in der Mediation geht es oft um Themen, die komplex und miteinander verwoben sind. Wenn man die einzelnen Abhängigkeiten aufzeigt und die einzelnen Bestandteile abbildet, kann auch die Diskussion geordneter ablaufen, indem der Mediator in wahrsten Sinn des Wortes den Medianden vor Augen führt, welches Detail gerade erörtert wird.
Ein letzter Nutzen des Visualisierens ist es, dass allein schon die Tätigkeit des Aufschreibens auf dem Flipchart/Whiteboard eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und ihrerseits die Diskussion zeitlich in Abschnitte aufteilt. Üblicherweise hören wir uns in Diskussionen ja nicht bis zum Ende zu sondern fangen nach den ersten paar Worten des Sprechenden bereits an, über unsere Gegenargumentation nachzudenken. Der Rest dessen, was der andere sagt, rauscht ziemlich an uns vorbei und das erste Atemholen des Sprechers gibt uns die Gelegenheit, unsere Argumente als Breitseite abzufeuern, während der andere uns wieder nicht zuhört. Diese Art der Monolog-Diskussion wird auch durch die zeitliche Strukturierung vereitelt (sofern der Mediator nicht ohnehin darauf achtet, dass der andere wirklich zuhört). Der Sprecher sieht, dass seine Argumente und Informationen ernst genommen werden (sie stehen ja auf dem Flipchart) und der andere weiß, dass er Zeit hat, im Anschluss seine Argumente vorzubringen. Er kann entspannt zuhören. Er hat ja während des Visualisierens durch den Mediator dann Gelegenheit, seine Argumentation gedanklich vorzubereiten. Dies befruchtet in aller Regel den Dialog und führt zu einem echten Gedankenaustausch. Zudem verhindert es, dass die Unterredung emotional aufgeladen wird und sich die Eskalationsspirale dreht.
Demnach ist das Visualisieren eine Technik, die sich nicht nur für die Mediation fruchtbar nutzen lässt.